Sonntag, 2. September 2007

Meine Freundin, die Doppelmoral, und ihre Schwester, die Inkonsequenz

1. Der Krankenwagen
Ich bin großer Fan von japanischen Krankenwägen. Nicht weil sie futuristisch ausschauen, was sie in der Tat tun und was mir in der Tat auch gefällt. Nein, ich mag sie ob ihrer sagenhaften Geschwindigkeit, mit der sie durch Tokyo RASEN, um Menschenleben zu retten. Der ein oder andere mag die Ironie in diesen wenigen Zeilen schon herausgehört haben.
Japanische Krankenwägen sind die langsamsten, die ich je gesehen habe. Jeder Mensch, der ein ernsthaftes gesundheitliches Problem hat oder gar in einer lebensbedrohlichen Situation steckt, hat bei diesem Tempo keine Chance auf Rettung. Das trau ich mich jetzt einfach mal so tollkühn behaupten. Dabei könnten sie bestimmt wenn sie wollten bzw. dürften, denn sie sehen nicht nur geil aus, sondern haben zudem noch eine Lichtanlage auf dem Dach, die jede Durschnittsdisco vor Neid erblassen lässt. Ganz zu schweigen von der Soundanlage, die ebenso eindrucksvoll ist. Neben normaler Sirene gibt es da noch die von den Japanern so geliebten Lautsprecher, die den anderen Verkehrsteilnehmern mitteilt: "Ich werde nun rechts abbiegen. Bitte Vorsicht, ich werde jetzt nach rechts abbiegen". Das muss schon sein, bei DER Geschwindigkeit. Und dennoch wird vor jeder Kreuzung in die Eisen gestiegen. Oder, bei mir vor der Haustür so gesehen, angehalten und gewartet bis die Ampel auf grün schaltet.
Bei all diesem Verkehrsrauditum bin ich ja nur froh, dass die Notärzte im Auto geschützt sind: sie tragen Helme. Puuuh.

2. Das Geräusch
Bekanntlich hatte ich Schnupfen. Aber, keine Angst, ich werde hier nicht weiter nach Mitleid haschen. Und schneuzen ist hier ja ebenso bekanntlich nicht so gern gesehen in der Öffentlichkeit. Ist aber mittlerweile schon nicht mehr so schlimm wie früher, hab ich mir sagen lassen. Nunja. Egal. In meiner Bemühung, die Triefnase zurückzuhalten, achtete ich natürlich besonders darauf, zu sehen, wie die Einheimischen so ein Erkältungsproblem bewältigen. Ich fand die Lösung schnell und sie ist widerlich.
Man schnieft den Rotz (verzeiht, aber mir fällt kein appetitlicheres Wort ein im Moment) nicht nur ein bisschen nach oben, nein, man zelebriert es. Man holt aus allen Poren das letzte raus und zieht es mit ohrenbetäubendem Lärm nach oben. Mmmmmh, lecker. Wenn man niest, dann niest man auch nicht nur einfach so oder versucht es gar -wie unser einer ein wenig zu unterdrücken - nein, hier niest, nein man brüllt den Nieser in seine Umwelt hinaus. Haaappppsschuuuuuuüüüüüüü. Dabei hält man sich die Hände nicht etwa vor den Mund, nein, man streckt sie weit nach hinten von sich, damit der Nieser ganzkörperliche Ausbreitungsfreiheit besitzt. Husten funktioniert ebenso. Widerlich Geräusche machen ist beliebt. Bazillen werden in die freie Natur hinauskatapultiert. "Sollen sich doch die anderen spackige Atemmasken aufsetzen, ich muss jetzt N-I-E-S-E-N! Und nachdem ich geniest habe, hol ich die letzten Rotzreserven aus den Tiefen meines Körpers und spotze sie mit Genuss auf den Boden....so, jetzt fühl ich mich besser."

3. Das Anfassen
Bevor ich hierher kam dachte ich, dass die Menschen hier nicht so sehr auf Anfassen und Körperkontakt aus sind. Man verbeugt sich ja auch zur Begrüßung und zum Abschied, und umarmt oder küsst sich nicht, wie das bei uns mittlerweile üblich ist. Mal ganz davon abgesehen, dass diese Barriere bei jüngeren Japanern nicht mehr so ausgeprägt ist und sowieso bei Jung und Alt alle Barrieren fallen sobald ein wenig Alkohol im Spiel ist, finde ich es doch sehr seltsam, dass ein gewisser Trend unter Männern, vorzüglich bei interkulturellen Beziehungen zu bestehen scheint.
Gestern so erlebt auf einer BBQ-Party. Ich stand da also so mit einem Bekannten meiner Schwester, einem Deutschen, und habe mich unterhalten als plötzlich ein Japaner kam, mit dem wir vorher ein paar Worte gewechselt hatten, ihm kurz auf die Schulter klopfte, ein paar japanische Worte nuschelte, ihm einmal richtig fest in den Schritt griff um dann auch sofort wieder zu verschwinden. Hä? „Jaja“, sagte da Ninas Bekannter, „daran bin ich mittlerweile gewöhnt. Da Japaner durchschnittlich ja eher nen kleinen Penis haben, checken sie bei Europäern ganz gern mal die Größe mit nem ordentlichen Griff ab“. Aaaaah ja. Da bin ich ja mal froh, dass ich kein Mann bin, denn das finde ich doch etwas absurd und halte lieber dafür her, mich von angetrunkenen Japanerinnen umarmen zu lassen bzw. ihnen in ihrer Trunkenheit als Fels in der Brandung zu dienen. Von denen fasste mir bisher auch zum Glück noch keine an die Brust. Bei diesen Körperteilen ist die Größe ja aber auch offensichtlicher.

4. Zugschlafen
Auch das zählt eigentlich ein wenig in oben genannten Punkt mit hinein. Denn sonst nicht so gern berührt, gelten im Zug ja irgendwie andere Regeln. Im Zug ist alles anders. Überall sonst entschuldigt man sich wegen jeder Kleinigkeit fünf Mal. Im Zug darf man rempeln, schupsen, drängeln und auf Füße treten wie man will, entschuldigt wird sich eher selten. Zu dieser Art von „Körperkontakt“ kommt dann noch die Königsdiszipin des Japaners hinzu: das Zugschlafen. Sobald sich die Türen schließen und der Japaner sitzt, kippt der Kopf nach vorne und die Schlafphase tritt ein. Hände fallen schlaff nach unten (am liebsten auf meinen Schoß oder meine Beine), der Körper wird schwer und schwankt von einer Seite auf die andere (bevorzugt auf meine), der Kopf bollert (am liebsten auf meine Schulter) und gerne kippt dann auch mal der gesamte Körper auf bzw. über mich. Der Zug hält, die Türen stehen ein wenig offen, der schlaffe Körper richtet sich auf, kapiert, springt auf und rennt nach draußen. Ich frag mich, wie sie es immer wieder schaffen, die richtige Station zu erwischen.

5. Das Arbeitsschlafen
Ebenso gerne praktiziert. Arme auf den Tisch, Kopf druff und mal ein ordentliches Nickerchen einlegen. Oder…im Sitzen mit den Händen auf Tastatur und Maus „schein arbeiten“…regelmäßig von mir ertappt durch schubweises nach vorne und hinten kippen bzw. schwanken. Jeder macht es. Jeder außer mir natürlich. Aber niemand würde es zugeben, dass er es tut. NIEMAND.

6. Ich sehe dich nicht also darf ich machen was ich will
Gibt es Gedrängel auf der Straße oder im Bahnhof und man hat es eilig, gibt es eine gern angewandte Methode um schneller ans Ziel zu gelangen. Man befindet sich ja nicht in der gesetzeslosen Zone Zug, insofern muss man Alternativen finden, die es einem erlauben rüpelhaft ans Ziel zu kommen, ohne sich langwierig dafür entschuldigen zu müssen. Und das funktioniert mit der Methode aus der Überschrift. Hand vors Gesicht, oder Kopf nach unten neigen, Hand nach vorne strecken und zu einem Messer, das sich durch die Menschenmassen schneidet, formen und dann los! Einfach drauf los. Sieht man jemanden in dieser Haltung muss man sofort gucken, dass man auf die Seite kommt, denn er wird definitiv nicht ausweichen und zur Not auch in dich hineinrennen, denn: „er sieht ja nix“. Das hasse ich wirklich.

Montag, 20. August 2007

ELVIS LEBT

...und zwar in Tokyo. Und das nicht nur einmal. Nein! Er hat sich vermehrt. Mannigfaltig mit Japanerinnen gepaart, die sofort im Anschluss kleine Nachkömmlinge auf die Welt warfen. Seltsame Japanoelvismutanten, die nun allsonntäglich versuchen, ihrem Erzeuger nachzueifern und sich aufgrund dessen regelmäßig zum Affen machen, denn sie können es einfach nicht. Weil: sie sind japanisch und das ist quasi gleichzusetzen mit: "nicht tanzfähig". (Ich habe bisher eine Ausnahme gesehen, aber der hat geübt! Denn der hatte Breakdancebewegungen drauf). Dumm nur, dass sie nichts anderes machen als zu tanzen. Singen wäre auch ein bisschen zu viel verlangt, wenn man doch einfach volles Equipment (Generator, Verstärker, Stereoanlage, Boxen und - wichtig - KAMM) mitbringen und vor dem Parkeingang platzieren kann! Ihr denkt sicherlich schon längst: "die Roora, die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank", aber nein, alles ist so geschehen, alles in echt mit Roora-Augen gesehen. Aber nun von Anfang an.
Es ist Sonntag und Laura macht sich auf den Weg zum Yoyogipark in Harajuku, weil da wohlweislich die Spinner ihren Auslebetag haben und mir wurde von mysteriösen Elvis-Doubles berichtet, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen kann und daher: ab dafür...und mitten rein in den Karneval, der hier jeden Sonntag stattfindet und dergestalt abläuft, dass sich japanische Teenies in bescheuerte Freak-Klamotten schmeißen, sich auf eine Brücke setzen und von Touristen und Mit-Japanern fotografieren lassen. Ich kann das aber nur schwer mitmachen, also mich hinstellen und offensichtlich ein Foto von Mädchen machen, die sich komplett in Stoff gewickelt, mit Kunstblut beschmiert und das Gesicht bei über 30 Grad und90% Luftfeuchtigkeit komplett weiß geschminkt haben. Ich schieße also eher heimlich Fotos und versuche den Gedanken aus dem Kopf zu kriegen, wie deutsche Großeltern wohl reagieren würden, wenn das Enkelkind in Blutmumienoutfit zum Sonntagsbraten erscheint, weil es danach noch auf eine Brücke in einen Park geht um sich dort von wildfremden Menschen fotografieren zu lassen. "Allmächd naaa, muss des wärglich sein, Kind?!" "Ja, Oma". Na bitte! Ich hab genug gesehen und folge wie in Trance lauter Musik als mich plötzlich ein Jüngling anspricht: "Hello. Nice to meet you. I'm (name vergessen). What's your name? Are you alone? Are you going into the park" Na hoppla, das sind aber bisschen viele Fragen auf einmal. Was sagt man da am schlauesten...hmm..starten und enden wir mal direkt: "Yes, hi. Nice to meet you. Park, yes and I have a boifurendo. Bye!" - "Oh will go with you" - "Äh...no. I'll go A-L-O-N-E!" Irgendwann hat man ja einfach keinen Bock mehr freundlich zu sein. Der Scheiß ist mir nämlich hiermit zum 4. Mal passiert und es nervt! So...den hätte ich also abgeschüttelt. Ich folge also weiter meinem Hörsinn und finde mich plötzlich zwischen Essensbuden und mehreren Bands wieder, die mit voller Ausrüstung alle 5 Meter aufgereiht sind und Konzerte geben, die kaum einer wirklich hören kann, denn es sind sehr viele Bands, die sehr laut spielen und nur sehr kleine Abstände zwischen sich haben. Das lässt sich schwer trennen im Ohr. Trotzdem ganz cool so an sich. Vor allem der Gitarrist, der herumwackelt und -springt das Gesicht verzieht und beinahe sein Instrument zerstört als ginge es um den ganz großen Plattenvertrag. Und dann...mitten im Musikbrei...erblicke ich ihn: ELVIS! Und gleich daneben: ELVIS! Und hey daneben noch viel mehr Elvise! Geilo! Alle in komischen schwarzen Lederhosen und Unterhemden. Mit Rockerstiefeln. Vielleicht also eher eine Mischung aus Elvis und Rockerbilly. Aber die Frisur ist eindeutig Elvis! Und die Elvisse kleben gerade ihre Schuhe mit Klebeband. Das heißt, sie erweitern ihre Klebebandbatzen um ihren Füßen mit noch mehr Klebeband zu Klebebandklumpen. Aus den Verstärkern dröhnt wild durcheinander ohrenbetäubende Musik, denn auch hier gibt es mehrere Gruppen, die um die Gunst des herumstehenden und verlegen grinsenden Publikums buhlen. Kurz werden noch die Tollen mit dem Kamm gerichtet und die Spraydose leergesprüht und dann kann die Show endlich beginnen. Nunja, "Show". Die besteht im Grunde genommen nur daraus, dass diese lustigen Menschen sich im Kreis aufstellen und tanzen. Mit Hingebung tanzen. Sie schwingen Beine und Hüfte, sie schnippen mit den Fingern, tänzeln von einem Fuß auf den anderen und strapazieren ihre Außenbänder, schmeißen sich auf den Boden, werfen sich in den Mogelspagat, rutschen voreinander her und schmettern die Luftgitarre...aber wichtig: dies alles nicht im Takt. Klar, denn es sind ja Japaner. Das heißt in ihren Wurzeln. Augenscheinlich sind sie Elvis. Und ihre Mädels sind ihre Groupies, die in ebenso passendem Outfit gelangweilt guckend daneben sitzen. Man kann auch nicht genau ausfindig machen, ob sie ihre Männer nun gut finden oder sich für sie schämen. Würden sie sich die Gesichter des Publikums genauer ansehen - vor allem die der Ausländer - würden sie vermutlich letzteres tun. Man kann hier nämlich herrlich Mimiken von peinlich berührt, fassungslos dreinschauend, über schallend lachend, bis hin zum entsetzten Kopfschütteln finden. Ich selbst bin gemischtgefühlig angesiedelt. Ich komme aus dem Grinsen nicht mehr raus, finde es toll, dass man so was zu seiner Passion macht und auslebt und gleichzeitig empfinde ich auch tiefes Mitleid, da ich denke, dass sie sich bestimmt cool fühlen mit dem was sie machen, aber die Leute eigentlich nur kommen, um sie zu belächeln. Hach...und hatte erwähnt, dass die Musik grauenerregend ist? Japanische 50er / 60er Pseudorockswingwieauchimmermusik. Oder aber mittendrin originale Elvissongs vermutlich noch auf Kassette aufgenommen und das wiederum vom Plattenspieler und das wiederum auf Cd gebrannt. Die Tonqualität ist verheerend. Aber hauptsache laut. Und als plötzlich der einzig Glatzköpfige Elvis direkt vor mich schliddert weiß ich auch, warum seine Schuhe mittlerweile gänzlich aus Gaffatape bestehen. Schlidder schlidder rutsch rutsch. Das hält selbst der beste Schuh nicht lange durch.

Donnerstag, 16. August 2007

Hitzefrei

Da ich zwei Tage frei habe, machten mein Fächer und ich heute einen Ausflug. Ich wollte der japanischen Dauerbeschallung entgehen und suchte Ruhe in der Natur. Ich führte ihn also in den Ueno Park aus, zeigte ihm einige Schreine und Tempel und spendierte ihm anschließend einen Besuch im Zoo. Ich wollte ihm eigentlich das angebliche Pandakind vorführen und ihm klar machen, dass er sich diese dumme kleine weiße Knut-Bärenbratze endlich aus dem Kopf schlagen soll, aber ich musste feststellen, dass es gar kein Pandababy zu sehen gab. Nur ein alter fauler schwarzweißer Bärensack lag da auf seinem Plateau und drehte sich schläfrig von einer Seite auf die andere. Wie öde. Naja. Verständlich aber bei den Temperaturen (35Grad, gefühlte 60). Ich lag danach ähnlich auf dem Sofa. Mein Fächer wollte sich noch andere Tiere anschauen, ich sagte: nur wenn du mir ne kleine Brise gibst, was er tat und so entdeckte ich einmal mehr meine Vorliebe für hässliches Getier à la Tapir, Okapi und so weiter und so fort. Aber gut, Zoo ist halt Zoo. Da braucht man nicht viel drüber berichten. Ich lad mal lieber paar Bilder hoch, damit man mir auch tatsächlich glaubt, dass ich hier noch anderes tue als shoppen und trinken. Hier:













"Nun setz dich schon neben das Vieh und mach ein dummes Gesicht, dann kriegst du auch ein Eis"









































































Der Kleine kleckert so arg...

Sonntag, 12. August 2007

Bildchen















Schwarzweiße Sauerei...


















...gefolgt von meinem Lieblingsrosakleidchengeschäft...














...direkt neben dem Laden wo ich meinen Schmuck kaufe, meinen rosa Schmuck....


















...wenn ich nicht gerade ein bisschen Architektur anschaue...














...oder mit 10000 Japanern eine Straße überquere...


















..oder im Bus auf solchen Sitzbezügen sitze...


















...oder Tempelbegrenzungssäulchen im Kontrast zu....


















..einer "Statue" in Harajuku fotografiere, die bestimmt genauso historisch wertvoll ist wie vorangegangenes Tempeldings.

Schlaf und Strand oder auch Schlaf am Strand

Ich kränkel. Das heißt ich habe Erkältung und Schnupfen in einem Land, in dem Schneuzen verpöhnt ist. Rotz hochziehen ist angesagt. Wunderschön. Jede deutsche Mutter würde die Nase rümpfen ob meiner schlechten Erziehung.
Entweder rafften mich die oft zu kühlen Klimaanlagen (außer die im Büro natürlich, die funktioniert nicht richtig) dahin oder der Freitag Abend.

Da war nämlich großes Hannabi (1 1/2 stündiges Feuerwerk, zu dem man meist in Yukata geht...hahaaaa, ich aber diesmal nicht) in Kamakura angesagt. Ich ging extra eher aus dem Büro und traf die Schwester im Zug. Wir wollten zu irgendwelchen Freunden von ihr auf irgendeinen sagenhaften Aussichtspunkt nachkommen, mit Picknick und so. Die ausgedruckte Beschreibung war ellenlang. Schon bald lösten wir uns vom Strom der trippelnden Yukatapeople (geschätzte 300.000) und gingen in die genau entgegengesetzte Richtung, was mir schon spanisch vorkam, um uns dann schließlich in einem Waldstück am Arsch der Welt wiederzufinden. Gut, dass wir keine Taschenlampe dabei hatten, sonst hätten wir ja etwas sehen können. Und das braucht man ja nun wirklich nicht. Also ab dafür in den Urwald. Dschungeltemperaturen herrschten. Wir befanden uns plötzlich auf einem matschigen Weg, der so schmal und so steil war, dass er defintiv nicht offiziell sein konnte. Mein Japanohandy funzelte uns den Weg. Meine Stoffschühchen waren bald matschverschmiert, die Haare nassgeschwitzt, ich hatte ja noch eine schwere Tasche umhängen (Gepäck für ein Wochenende), die Schwester schleifte ich hinter mir an meinem Händchen her, sie kicherte verlegen (wohl, weil sie uns in diese blöde Situation gebracht hatte) "huuuch, nun sag doch, dass da ne Stufe ist....uuuuuhh, ein Brückchen", die Feuerwerkskörper böllerten noch immer in weiter Ferne, mit jedem Schritt durchs Dickicht wurde die Chance geringer, noch wenigstens eine Rakete in den Himmel steigen zu sehen, Schwesterchen am Händchen hinter mir wollte schon das mitgebrachte Picknickbrot à la Hänsel und Gretel streuen, um uns - für den Fall, dass wir nicht richtig waren - den Rückweg zu sichern (wäre aber auch unnütz gewesen, war ja stockfinster), Moskitos freuten sich über mein Blut und stachen fröhlich auf mich ein...so ein deutsches Festmahl kriegt man nicht alle Tage (mein Körper: eine Hügellandschaft), Pflanzen versperrten uns den Weg (Machete hatten wir zufällig auch keine dabei), Spinnennetze legten sich um unsere Hände, Wurzeln liesen mein Schwesterchen hinter mir straucheln und dann endlich....vernahmen wir Stimmen. Wir waren angekommen. Nach eineinhalb Stunden Fußmarsch, wahrhaft feuchtfröhlich durch den Urwald. Da, huiiiiii, eine Rakete am Firmament. Die letzte des eineinhalbstündigen Feuerwerks. Na prima. Kurze Zeit später (ca. 30Minuten) ging es dann den gleichen Weg wieder zurück. Ein wirklich schöner Freitagabend. So entspannend. Und auch so abwechslungsreich. Wenn sich die Tortur mal nicht gelohnt hat. Anschließend empfing Gipsy mich vollkommen erschöpftes Wesen, gab mir Dusche, Trinken und Sofa und ich entschlief sofort in einen 12 stündigen Schlummer. Zwischen schlafen und essen schoben wir am Samstag noch einen kleinen Ausflug zum Strand ein. Ich schaute ein bisschen den japanischen Surfern zu. Aber die sind leider so dürr, da schaut man nicht gern lange hin. Ein Feuerwerk an Lebendigkeit war ich an diesem Wochenende. Aber trotzdem schön war's, wenn auch immer noch triefnäsig. Schnief.

Sonntag, 5. August 2007

Traditionelle Peinlichkeiten

Es war mal wieder Wochenende. Hier die unumgängliche Berichterstattung.
Freitag:
Partyabend mit Shima. Erst essen, dann Sake-Bar, dann komische Bars mit Tanzflächen in Roppongi. Wohlweislich das internationalste Viertel in Tokyo, was zu Folge hatte, dass ich lauter (man verzeihe mir dies) typisch wahrscheinlich amerikanische Assis gesehen habe, bei denen ich mich gefragt habe, was sie hier wohl tun außer nachts in Roppongi Asiatinnen anzugraben und abzuschleppen. Ich war froh als wir da raus waren und in ein Karaoketeil gestolpert sind, wo wir dann fröhlich zu dritt zu den Spicegirls-Klassikern und Whams "Last Christmas" geträllert haben. Das war ein Spaß. Das alles um 4 Uhr, irgendwann um 5 lag ich im Bett und verbrachte nachfolgenden Tag mit erneuten Sake-Kopfschmerzen bis Spätnachmittags in ebendiesem (ich würde ja gerne nein sagen. Aber sie bestellen immer für mich mit und dann - schwupps - steht ein hübsches Tablett mit Teeservice vor mir, womit ich mir aber keinen Grüntee zubereite, sondern Sake).
Samstag:
Als ich mich dazu in der Lage fühlte, aufzustehen und zu bewegen, tat ich dies und machte mich auf den Weg nach Akihabara um Geld auszugeben. In Tokyo ist es üblich, dass sich Geschäfte spezieller Branchen in einem Viertel anhäufen. Ob das Geschäftsfördernd ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wollte ich Ipod-Shopping betreiben und machte mich deshalb auf nach Akihabara, weil da die Elektronikgeschäfte versammelt sind. Das Schild in der Ubahn sagte alles: "Akihabara Electronic Town Exit". Da ging ich raus, erlitt einen Elektronikbranchen-düdeldüdelringringdingeldingel-schrilleneonbeleuchtungs-marktschreiergebrüll-Schock und ließ allein schon um da so schnell wie möglich wieder weg zu können (ich war ja immernoch verkatert und reagierte empfindlich auf Geräusche und Lärm) mein Geld. Jetzt hab ich einen Ipod und eine Sony-Computermaus, die wie ein kleiner niedlicher Abkömmling meines Laptops aussieht (ich konnte da nicht vorbeigehen, ich hab sie sofort lieb gewonnen, als ich sie erblickte). Dann fuhr ich weiter nach Shibuya um noch mehr Geld zu lassen.
Sonntag:
Bisher eher weniger peinlich, dafür kommt's jetzt dicke. Heute habe ich mir ein großes Loch herbeigesehnt. Zum einen weil's da drin bestimmt kühler gewesen wäre als überall sonst und zum anderen, weil ich da einfach gern reinverschwunden wäre aufgrund Unwohlfühlens.
Ich fange mal von vorne an: Ich hatte heute wohl so was wie ein Date. Mit einem Freund von Shima, den ich an diesem beschriebenen Freitagabend kennengelernt habe. Problem daran: ich konnte mich eher wenig daran erinnern, ihm meine Nummer gegeben zu haben (und war etwas überrascht über den Anruf) und ich hatte das übliche Problem: ich wusste nicht mehr, wie er aussieht. So. Nun wollte mich dieser Herr also auf ein japanisches traditionelles Straßenfest mitnehmen, bei dem man wohl Yukata (Sommer-Kimono) tragen muss. Na bitte. Ich versuchte ihm schon am Telefon klar zu machen, dass ich Europäer im Kimono ziemlich panne finde, aber er war nicht davon abzubringen.
Ich bin ein guter in scheiß-Situationen-Bringer, aber ein dafür doppelt so schlechter Nein-Sagen-Könner.
Also stand ich da heut an der Bahnstation und war nach 10 Minuten an der Luft so nassgeschwitzt als hätte ich mich nach dem Duschen nie abgetrocknet, als da plötzlich ein junger Mann auf nem typisch Tokyoter Assi-Motorrad angefahren kam...mit Feinrippunterhemd und diesen saublöden Motorradhelmschalen, bei denen man auch gleich gar nichts auf den Kopf setzen könnte. Um Himmels willen. Das war dann wohl meine Verabredung. So schlecht sah er aber nicht aus. Für nen Japaner ganz cool eigentlich. Ich war ein wenig beruhigt. Also setzte ich mich auf dieses Motorradteil und wurde durch Tokyo gebraust. Schnell, chaotisch und unkontrolliert. Ich hab einfach die Augen zugemacht.
Eine Stunde später habe ich sie aus purer Beschämtheit à la "seh ich dich nicht, siehst du mich auch nicht" zugemacht. Wir waren nämlich Yukata-Shoppen. Ein schwieriges Unterfangen. Denn überall wo's vor kurzem noch billige gab, gab's heute keine mehr und wir mussten bei unerträglicher Hitze ewig herumschlappen um schließlich noch Restbestände (was zur Folge hatte, dass es ein echt hässliches Teil wurde) abzugreifen. Der junge Mann zahlte (krass) und ab ging's in die Umkleidekabine. Er sagte, das wäre wie ein Bademantel, einfach anziehen und ab dafür. Ha, von wegen. Ich hatte im Internet recherchiert und bekam leichte Panik. Männer-Yukatas, jaaa, die funktionieren so. Er war also schnell fertig. Ich nicht. Mir hat er dann irgendwann ne Verkäuferin in die Umkleide geschickt, die 15 Minuten an mir herumnestelte, während ich fröhlich vor mich hinschwitzte und mich kurz vor dem Kreislaufkollaps befand, da sie gerade damit beschäftigt war, mir mit dem Korsett-artigen Gürtel die Luft abzuschnüren. Als ich diese unangenehme Situation endlich überstanden hatte und mich tausendmal bedankt und entschuldigt hatte (hier das gleich Wort: "sumimasen", das kann ich, das sagt man dauernd), sah ich mich mit Minischritten und endsgeradem Rücken hinter dem mit großen, freien Schritten voranschreitendem Herrn Tatsu (der sein Traditionsgewand eher untraditionell mit Stars&Stripes-Flipflops und Basecap kombinierte um sich anschließend noch die Ärmel bis zur Schulter hochzukrempeln. Blöder Sack, bei mir war das nämlich unmöglich) zum Motorrad trippeln. Trippeltrippel. Hechelhechel. Schnappatmung. Und dann: zwei Affen mit Yukata-Dress aufm Motorrad. DANKE! Danke dafür, dass ich mich endlich so blöd aussehend meinen Mitmenschen präsentieren durfte.
So gings dann nach Ginza. Das teuerste Viertel hier. Und die bekannteste Einkaufsstraße. Das war das positive, da war ich nämlich noch nicht. Die Straße war gesperrt. Und ein paar Leute liefen darauf herum. Einige auch in Yukata. EINIGE. Unter diesen einigen: ich. Von wegen, da muss man so herumlaufen ("at least it's highly recommanded"), Aff! Oberaff! So...also das Festival. Ein paar Leute auf der Straße. Ab und an ein Plastikstuhlsitzgrüppchen mitten auf der Straße. Drei Pavillions mit Tombola (ich hab nen Fächer gewonnen...den ich gleich so was von benutzt habe). Und alle 50 Meter ein Plantschbecken und einige mit Wasser gefüllte Holzschalen. Meine Begleitung hat sich zu diesem Zeitpunkt schon mehrmals (ZU RECHT) entschuldigt, dass er sich vielleicht bissl besser hätte informieren sollen über dieses Festival-Ding. Bei mir hatte da aber schon lange die Wurschtigkeit und die daraus folgende Ironie eingesetzt. Gemeinsam sarkastische Witze reißen war die logische Folge und durchaus unterhaltsam. Galgenhumor nennt man so was wohl. Bei jedem Geschäft haben wir zudem ne kleine Klimaanlagenerfrischung genossen bis dann der Höhepunkt dieses Feuerwerks an Spektakeln kam: Menschen stellten sich in einer Reihe auf. Es wurde heruntergezählt durch die japanisch allseits beliebten Lautsprecher, durch die vorher noch ein Lied schalmeihte...dingel dingel klingel klingel bimmel bimmel ("spritzt Wasser auf die Straße, spritz Wasser auf die Straße" war der Text wie mir übersetzt wurde) -SPANNUNG PUR . Und dann...WOW....schütteten und spritzten sie das Wasser tatsächlich auf die Straße. Absout abgefahren. So was geiles hab ich im Leben noch nicht gesehen. Aber hey...keine Späße über Traditionen fremder Länder....das Ganze bringt nämlich Glück, hab ich mir sagen lassen. Aber damit kein Trinkwasser verspritzt wird, wurde vorher achttausendfünfhundertmal durch die geliebten Lautsprecher durchgesagt, dass das Wasser aus der Kanalisation stammt (so zumindest hat es Tatsu übersetzt. Wahrscheinlich hat er das nur getan, weil er meine nach einer Wasserschlacht lechzenden Augen gesehen hat). Als wir dann endlich in nem klimatisierten Café saßen und ich mich mit Eis vollstopfen konnte (ich arbeite ja noch immer an meiner Sumo-Karriere), fragte er, ob ich nicht doch mit zu seinem Basketballspiel kommen wollen würde. Zwar würden sich seine Mannschaftskollegen nicht mit mir unterhalten können, weil keiner Englisch könne, aber er würde bestimmt besser spielen, wenn er ein Mädchen dabei hätte, na das hatte er mir ja vorher schon geschrieben. Da hatte ich aber dankend abgelehnt. Und hach, wer könnte da ein zweites Mal nein sagen...?!?!.....ICH. D.h. ich hätte gekonnt. Normalerweise. Ich sehnte mich nämlich nach einer Dusche. Und das, seit ich morgens das Haus verließ. Aber die Aussicht alleine, ohne den auch im bescheuerten Traditionsgewand herumlaufenden Tatsu mit der Bahn heimfahren zu müssen fand ich schlimmer als nochmal die Peinlichkeit auf dem Motorrad zu teilen. Und ich dachte es würde sich bestimmt irgendwo ne Toilette zum Umziehen vorher finden lassen. Pustekuchen. Ich sagte also allen coolen Basketballfreunden in diesem scheiss bunten Bademantel hallo. Herrlich. Aber dann: ab auf die Toilette und raus aus dem Ding. Und erstmal durchatmen. Atmen kann man darin nämlich genauso schlecht wie laufen. Und dieser Gürtel mit der riesen Schleife auf dem Rücken lässt einen schwanger fühlen und schwanger verhalten. Dauernd streichelt man sich den Bauch und so. Warum auch immer. Ich war auf jeden Fall saufroh da endlich rauszukommen. Und dann hab ich dem jungen Mann beim Verlieren zugeschaut. Und mich köstlich über die wahrhaft riesigen japanischen Basketballer amüsiert, während ich mich hübsch mit meinem Tombolagewinn befächerte und in den Auszeiten auch sie, was wohl meine Art war mit ihnen zu kommunizieren. Jetzt hab ich Handgelenksmuskeln/Tennisarm, denn sobald man mit der Wedelei aufhörte, setzte sofort der Sturzbach ein. Es war widerlich. Zum Ende hin wurde ich hübsch zum Taxi geleitet und tat Entschuldigungen über den misslungenen Tag ab. Mal im Ernst. Ich musste noch nicht mal lügen. Irgendwie war's ja auch witzig. Und mal wieder unter der Rubrik "Erfahrungen" abspeicherbar. Nur dieses Gewand war unangenehm. Aber im Endeffekt ja auch wieder lustig zu sehen. Und ich hab ein Faschingskostüm for free. Dann wurde das Taxi herangerufen, dem Fahrer gesagt, wo ich hingebracht werden soll, bezahlt und die Tür hinter mir geschlossen. Ich mag diese altmodischen Höflichkeiten irgendwie. Wenn's auch unangenehm ist, alles gezahlt zu kriegen. Aber das ist hier irgendwie so und muss akzeptiert werden wie das Yukata-Tragen auf langweiligen Straßenfesten.

Donnerstag, 2. August 2007

Parlez-vous francais?

"Hai hai" würde da mein Kollege Keita mit stolzgeschwellter Frankreichfanbrust sagen und in Folge dessen versucht, ab und an ein wenig die französische Sprache zu benutzen. Seinen Wissensstand diesbezüglich konnte ich noch nicht so recht einschätzen. Mein eigener ist geschrumpft, das weiß ich seit der 12. Klasse Französisch-LK, in der er eigentlich hätte steigen müssen. Dennoch kann ich wohl immer noch ein bisschen mehr. Und dennoch hat es lange gedauert und dreimaliges Nachfragen gebraucht bis ich beim ersten Mal seine "on va manger"-Aufforderung zur Mittagspause verstanden habe. Japanisches Französisch ist nämlich genauso schwer verständlich wie japanisches Englisch.

Nun zur heutigen Anekdote.

Kurzbeschreibung:
Ich sollte mal wieder ein Haus entwerfen. Seit 2 Tagen versuchte ich mir Ideen aus dem Hirn zu saugen. Ich fand alle Entwürfe scheiße. Musste sie aber trotzdem präsentieren heute. Mein Chef fand sie wohl nicht so schlimm wie ich. Zumindest hat er das in Englisch gesagt. ("Roora, ju gat gudd eidiiis. Ju häff gudd bräiiin") Was er zu den anderen in Japanisch gesagt hat, wird mir wohl auf ewig unbekannt bleiben, aber das macht nichts, ich freue mich einfach über mein gutes Hirn. Besprechung. Chef labert und labert. Bei jedem Mal Deuten auf einen meiner Entwürfe rutscht mir das Herzlein in die Hose. Chef sagt irgendwas abschließendes japanisches und schaut dabei in die Runde. Plötzlich springen alle auf. Die Besprechung ist offensichtlich beendet, also springe ich mit auf. Chef sagt, Keita soll übersetzen. Keita sagt "Bon collage". Chef wiederholt "Bon collage". Chef schaut Laura stolz grinsend und fordernd an. Laura schaut blöd und grinst aus einer Mischung aus Höflichkeit und Verlegenheit noch viel blöder zurück. Bon collage?...gute Collage?...hä? Ich sollte dringend mal wieder mein Französisch aufbessern...Noch während ich grübelte und mich wunderte kam die entblößende Frage: "Hau du ju säiii in Dschömännni?" - "Äääähhhhhhh....." (schnell was zusammenreimen, Kombinationsgabe ist gefragt, dann der Geistesblitz: kannste ja sagen wasde willst, checken die doch eh nicht...haha) "Ääääh, we say Gutes Gelingen" - "Ahhhh...so desu ka?! Guuuudeeeesss Geliiiinjen" - "Hm ja, exactly. Great."

http://www.leo.org/, mein bester Freund, löste -zurück am Computer- schließlich auf: "Bon courage". Oh Mann....Aber gut geraten. Ich bin ein prima Bluffer geworden.

Dabei hätte ich's ahnen müssen. Kurz vorher als ich meine Entwürfe erklärt habe, habe ich diesbezüglich noch einen Geniestreich an Kombinationsgabe geleistet.
Sitation wie folgt. Ich erkläre der Runde: Die Elemente des Hauses sind ineinander verschachtelt. Das Vorbild für die Gestaltung: "Tetris". Fragende Gesichter schauen in meine Richtung.....Was is los? Wir sind hier doch in Japan...Land der Technik...Land der unnützen Computerspiele...Land des Nintendos... "Tetris. The famous Nintendo-game?!" - "Teeetrrrliiiss?" fragen mich vier verstört dreinblickende Gesichter. Was nun? Daaa isser, der Gedankenblitz: Sprich es einfach scheiße aus und mache sinnlose Vokale dazwischen. Los jetzt! - "Ähm, Teturiso?!?!" - "Aaaahhhh. Sososososososo. Teturiso. Aaah. Hai hai."

Ich war sehr stolz auf mich, aber es verursacht mir körperliche Schmerzen, so zu sprechen.

Dienstag, 31. Juli 2007

Der Schuh schlappt, der Fuji rockt

Zwei Konstanten gibt es hier in meinem japanischen Alltag: draußen pisst's, Laura frisst. Mein Güte. Beides in heftigem Ausmaß. Tokyo ertrinkt und ich mutiere zum Sumo, zumindest fühl ich mich grad so (ich komme von Ninas Schwiegermutters Geburtstagsessen). Die Häufigkeit meiner Abendessen in Lokalen übersteigt die, der letzten Monate, ach was sag ich, Jahre wahrscheinlich, bei weitem. Aber so ist das nunmal. Bei diesem lustigen Völkchen dreht sich alles ums Essen. Und um zu große Schuhe. Das muss ich hier mal kurz einwerfen. Eine Feststellung. Beobachtung quasi. Japaner haben eine komische Beziehung zu Schuhen. Mal abgesehen davon, dass es hier kein Mittelklassesegment gibt, denn es gibt entweder: saubillig in beschissener Qualität oder den Designerschuh zu horrenden Preisen, sind sie einfach nur: krass. Krass meist im Sinne von krass hässlich. Und, und jetzt kommt's: krass zu groß. Ich sehe hier ständig Mann wie Frau mit VIEL zu großen Schuhen. Und wenn ich viel zu groß sage, meine ich geschätzte 5 Nummern, kein Scheiß. Vorne, hinten, oben, unten: zu groß. Frauen tragen gern auch zu große Pumps und können dann -verständlicherweise-nicht in denen laufen, sondern spaggen unbehende und vermutlich von Schmerzen geplagt und auf jeden Schritt konzentriert in der Gegend herum. Gut, man kann hier Schuhe meist nur in "one size" kaufen oder in den Größen: S, M, L. Aber dennoch: freiwillig zu große Schuhe stößt bei mir auf Unverständnis. Aber ich bin Schuh-technisch sowieso voll out hier.Seit meinen ersten Tagen hier weiß ich: "Laura, es mangelt dir an hochhackigen, goldbestückten schrillen Stöckelschühchen mit pinken Schleifchen!" Aber in anderer Weise merkte ich das dann nochmal am Wochenende. Da gings zu Fujirock. Einem der ganz wenigen Festivals hier in Japan. 70% der Leute dort trugen Gummistiefel in allen Varitionen, die restlichen 30% trugen Crocs....diese komischen bunten Gummiknubbeldinger, die schlicht und ergreifend nicht schön sind.
Aber man trägt sie hier halt, weil man es halt tut, ne?! Is klar! Ich tue und tat es nicht. Ich trug Turnschuhe. Aber auf diesem Festival hätte ich vermutlich auch barfuss herumlaufen können und hätte mir am Abend noch nicht mal die Füße waschen müssen, so sauber war es da. Unglaublich. Kein Müll auf der Wiese. Gar kein Müll irgendwo. Außer in den dafür vorgesehenen Müllbeuteln. Müllbeutel, die geduldig von in Müllstationsbretterverschlägen stehenden nett lächelnden Müllmädchen aufgehalten wurden, die einem erklärten, in welchen Müllbeutel welcher Müll reinmuss. Es gab die Restmüllbeutel, die Papierbechermüllbeutel und nicht zu vergessen, den extra Müllbeutel für alle Einwegholzstäbchen (Müll, Müll, Müll). Zudem sah ich nicht einen Betrunkenen und nicht einen unter anderen Rauschmittel Stehenden...dafür sah ich wabernde Massen an schwarzhaarigen Menschen, denen es immens an Taktgefühl mangelte und dem zu Folge auch an der Fähigkeit, sich rhythmisch zu jeglicher Art von Musik zu bewegen (sprich: die können hier nicht tanzen. Selbst ein bisschen Wackeln zur Musik sieht zum schreien komisch aus). In Folge dessen fällt auch Rumgespringe, Gehopse und Ge-pogoe und von den lieben Mitmenschen auf den Händen nach vorne zur Bühen Getrage aus. Gibts nicht. Oh, nein, ich lüge: ich habe es einmal gesehen. Aber wirklich nur ein einziges Mal. Dementsprechend waren auch die extra aus anderen Ländern eingeflogenen Securities(vermutlich. Auf jeden Fall fand sich tatsächlich kein einziger Japaner unter ihnen...die Vorstellung eines breitschultrigen Japaners, der sich vehement durchsetzen kann, ist aber auch tendenziell eher witzig) eigentlich umsonst. Weil es gab nix zu schlichten. Genauso wie es nix zu verstehen gab. 90% der Ansagen internationaler Künstler blieben vermutlich unverstanden. Denn es erfolgte meist keine bis zu einer eher jämmerlichen Reaktion ("Yeeeeaaah" in geringSter Dezibelzahl) oder eben wie gesagt: Stille und sich wunderndes Raunen. Außer wenn der Bandname genannt wurde und "arigato" gesagt wurde. Das wurde verstanden. Da stieg die Dezibelzahl ein wenig. Es war zu putzig. Aber auch einfach nur sympathisch. So viele witzige, alternative Japaner auf einem Haufen sieht man selten (und Japaner mit Dreadlocks sehen echt gut aus, das muss man echt mal sagen!), alle friedlich, nicht aufdringlich, einfach die Musik genießend, nicht unangenehm betrunken und pöbelnd...es war herrlich. Ebenso wie die Warteschlangen vor den Dixiklos. Kilometerlang, aber ordentlichst aufgereiht. Ich war fasziniert. Aber erkundete trotzdem lieber das Dickicht. So viel Zeit hatte ich echt nicht. Ich musste ja von Band zu Band hetzen. Zudem war die "Location" einfach nur genial. Das Festivalgelände war riesig und in nem Skigebiet gelegen. Man musste ständig durch Wälder marschieren...immer wieder zwischendrin haben sie Lichtinstallationen in den Wald gesetzt, einen Bretterweg durch die Bäume hindurch gebaut oder Steine im Fluss zu kleinen Tierchen angemalt (klingt kindisch, aber ich fand's echt schön). Es gab immer wieder Neues und Kleinigkeiten zu entdecken. Fazit: toll.














Da meine Begleiter schon etwas betagter waren (sie mögen mir diese Aussage verzeihen), wurde nicht auf dem (vermutlich ebenso blitzsauberen) Zeltplatz genächtigt, sondern in einem Nachbarkaff in einer uralten, schrulligen, typisch japanischen Pension. Mit typisch japanischem Frühstück. Ich bin's ja mittlerweile gewohnt, mir Unbekanntes zu bestellen und unidentifizierbares Zeug zu essen....aber morgens nach dem Aufstehen geräucherten Fisch, Reis, Seetang, und so eingelegte saure Gemüsefruchtmutationen sowie Seetangtofusüppchen....das war nicht so richtig mein Ding. Ich mein, der Hunger treibt's rein, aber ich präferiere dann doch lieber ein gesundausgewogenes sowie gleichsam vitaminreiches Nutellabrötchen. Mit Schweißhandtuch bewaffnet ging's dann zu nem kleinen Spaziergang in die japanische Bergwelt. Auch da ist alles betoniert. Wie überall. Japaner lieben Beton. Sogar Holzpflöcke waren gefaket und aus Beton. Wunderhübsch. Aber so können japanische Prollpärchen auf und in hochhackigen und natürlich zu großen Schuhen gefahrfrei ihren Sonntagsausflug machen. Ich prollte fröhlich mit. Wenn auch anders (siehe Bild). Denn meine Schuhe passen ja.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Nennen wir es: Eindrücke

FlipFlops mit Stacheln. Unbedingt!











Themenwoche?! Aktuell: "Arielle, die Meerjungfrau"?!




















Sehr witziges Lokal mit alternativen Kellnern und Reggae.




Der Getränkeautomat. Zu sehen: überall. Anzahl: immens
Frequentierung: quasi null.

Schnipp Schnapp Haare ab

Jaja, auch ein Friseurbesuch kann hier zu einem spaßigen Erlebnis werden.
Letzte Woche haben wir zwei Kummerschwestern einstimmig beschlossen, dass wir scheiße ausschauen (zu sehen auf diesem gar entzückenden Vorherfoto) und deshalb zum Friseur müssen (einer meiner Gründe hierfür war denkbar einfach: weniger Haare, weniger schwitzen). Gesagt getan, am Montag gings los. Nina war schon da, ich kam nach. Sie hatte schon vorher erwähnt, dass der Friseur sehr witzig wäre, ich wusste also grob was mich erwartet: Spaß...und: Haare ab, natürlich. Beim Haarewaschen fing es dann schon an. Das machte - wie in Deutschland - der Lehrling und der war mehr als vorsichtig und sehr schüchtern. Ein weißes Papiertüchlein würde mir übers Gesichtchen gelegt und dann wurde mein Haar so behutsam gewaschen als könnte es zerbrechen und bei jeder Bewegung die er machte, wurde sich schön entschuldigt, so dass ich unter meinem Papiertüchlein aus dem Grinsen nicht mehr herauskam.
Beim Haareschneiden ging dann wieder das übliche Kommunikationsproblem los. 100 Zeitungen wurden angeschleppt und unverständliche Skizzen von mir und ihm angefertigt bis schließlich klar war, welche Frisur ich bekommen sollte. Gelöst schlussendlich von meiner Schwester, die unter ihrer Trockenhaube als Dolmetscher fungierte. Gar zärtlich wurden meine Härchen angefasst, Millimeter für Millimeter geschnitten (..ich war kurz davor zum Proll zu werden : "Alteeer, mach hinne, schneid sie ab die Wolle"), immer wieder nachgefragt, zwischengefragt ("soll der Pony wenn er hängt bis zur Augenbraue g
ehen oder wenn sie ihn zur Seite macht?"...checkte ich nicht, hab ich mal schön "hai hai" gesagt), zischengefönt, nachgeschnitten, strähnchenweise herumgezupft ("wie fransig will sie's denn haben?! wenig fransig, halb fransig oder sehr fransig?"), wieder geguckt, wieder gefragt, wieder ein Millimeterchen abgeschnitten, gewitzelt, gelacht ("warum ist denn ihre Stirn so heiss, hat sie Angst?!" neeeee, nich doch, ich krieg hier ja nur von nem Menschen, den ich nicht versteh und der mich nicht versteht die Haare geschnitten und der gesamte Laden steht außenrum und glotzt, aber sonst ist alls easy) bis schließlich überraschend viel mehr Haare ab waren als ich gedacht hätte bei den Millimeterchen, die er immer nur abschnitt. Die anderen Friseure lächtelten gespannt auf meine Reaktion in den Spiegel - ich lächelte ANgespannt zurück und hob schließlich beide Daumen zum Lob. Puuuh, alles gut gegangen.
Normalerweise sagt man dann hübsch danke, zahlt und geht...bei uns wurde aber noch ein kleines Fotoshooting eingeschoben und wir gebeten, doch bitte die Händchen zum Peacezeichen zu erheben (welch Fauxpas, wir sind schließlich in Japan..also echt)........
.......denn er hätte einen blog und möchte das gerne da reinstellen.....

....oh mein Gott....
....zu spät....
Heute erreichte mich im Büro eine email meiner Schwester mit einem link. Nichtsahnend klickte ich darauf um eine Millisekunde später in peinlichberührtes Prusten auszubrechen, als ich unser Granaten-Foto mit der Überschrift: "beautiful sister" auf dem Bildschirm entdeckte.......die japanisch logische, bereits bekannte und im letzten "Bericht" beschriebene Folge: alle Kollegen versammelten sich um meinen Computer: "aaaah" "oooooh" "hihihihi"
.....na prima....
Nun bin ich also in einem japanischen Friseurblog (http://yozchan.jugem.jp/) mit einem gequälten Lächeln und einer Asiatenhaar-ausgedünnten Frisur zu sehen, die bei mir bewirkt, dass ich quasi nur noch Federn auf dem Kopf habe, die stets luftig im Wind wehen, wovon ich allerdings nur wenig spüre, da sie ja sehr fedrig sind, quasi ein Hauch von Nichts...aber mein Ziel mit dem weniger Schwitzen hab ich super erreicht.
Der Text zum Bild wurde mir gerade von meiner Schwester vorgelesen, ein Auszug aus der endlosen Beschreibung unserer beiden Schnitte: "buripuritybobraurahair". Was wohl soviel heißen soll wie: Laura's hair is a very pure bob. (tschäpäniiis inglisch is se best ei tould schu!) Des weiteren ist dort zu lesen, dass meine Schwester, die unheimlich gut japanisch spricht, schon drei Mal seit Dezember da war, dass sie schon viele Freunde zu ihm gebracht hätte, wofür er sehr dankbar wäre, dass die kleine Schwester studiert, den Sommer in Japan verbringt, deutsch gesprochen hat, aber dennoch very charming war, dass wir bald zu Fujirock gingen und ihm mit unserem Besuch einen tollen Start in die Woche beschert hätten, die Woche könne nur gut werden.
Ich muss sagen, ich bin schon ein bisschen gerührt...so irgendwie...schon niedlich...wenn auch peinlich...doch ich stelle mir vor allem wiederholt die Frage: Wen interessiert so was?!?!
Und genau aus diesem Grund habe ich diese ausführlichste Berichterstattung meines Friseurbesuchs für euch verfasst. Jawollja.

Und hier das obligatorische Nachher-Bild. Mit Zahnbürste vom japanischen Dr. Best (der hier in der Fernsehwerbung vermutlich nicht gegen eine unreife Tomate, sondern wohl eher gegen ein ausgetrocknetes Sushi drückt)
Zugegeben, man sieht kaum einen Unterschied. Aber ich fühle ihn enorm. Am Hinterkopf ist Kurzhaarfrisur angesagt und wie gesagt: diese Luftigkeit...herrlich.
P.S.: Ich habe heute zum x-ten Male auf dem Weg zur Arbeit meinen Freund, den Fensterputzerbewacher getroffen. Heute habe ich mit Schrecken feststellen müssen: Er ist eigentlich eine Sie.....nunja...