Montag, 20. August 2007

ELVIS LEBT

...und zwar in Tokyo. Und das nicht nur einmal. Nein! Er hat sich vermehrt. Mannigfaltig mit Japanerinnen gepaart, die sofort im Anschluss kleine Nachkömmlinge auf die Welt warfen. Seltsame Japanoelvismutanten, die nun allsonntäglich versuchen, ihrem Erzeuger nachzueifern und sich aufgrund dessen regelmäßig zum Affen machen, denn sie können es einfach nicht. Weil: sie sind japanisch und das ist quasi gleichzusetzen mit: "nicht tanzfähig". (Ich habe bisher eine Ausnahme gesehen, aber der hat geübt! Denn der hatte Breakdancebewegungen drauf). Dumm nur, dass sie nichts anderes machen als zu tanzen. Singen wäre auch ein bisschen zu viel verlangt, wenn man doch einfach volles Equipment (Generator, Verstärker, Stereoanlage, Boxen und - wichtig - KAMM) mitbringen und vor dem Parkeingang platzieren kann! Ihr denkt sicherlich schon längst: "die Roora, die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank", aber nein, alles ist so geschehen, alles in echt mit Roora-Augen gesehen. Aber nun von Anfang an.
Es ist Sonntag und Laura macht sich auf den Weg zum Yoyogipark in Harajuku, weil da wohlweislich die Spinner ihren Auslebetag haben und mir wurde von mysteriösen Elvis-Doubles berichtet, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen kann und daher: ab dafür...und mitten rein in den Karneval, der hier jeden Sonntag stattfindet und dergestalt abläuft, dass sich japanische Teenies in bescheuerte Freak-Klamotten schmeißen, sich auf eine Brücke setzen und von Touristen und Mit-Japanern fotografieren lassen. Ich kann das aber nur schwer mitmachen, also mich hinstellen und offensichtlich ein Foto von Mädchen machen, die sich komplett in Stoff gewickelt, mit Kunstblut beschmiert und das Gesicht bei über 30 Grad und90% Luftfeuchtigkeit komplett weiß geschminkt haben. Ich schieße also eher heimlich Fotos und versuche den Gedanken aus dem Kopf zu kriegen, wie deutsche Großeltern wohl reagieren würden, wenn das Enkelkind in Blutmumienoutfit zum Sonntagsbraten erscheint, weil es danach noch auf eine Brücke in einen Park geht um sich dort von wildfremden Menschen fotografieren zu lassen. "Allmächd naaa, muss des wärglich sein, Kind?!" "Ja, Oma". Na bitte! Ich hab genug gesehen und folge wie in Trance lauter Musik als mich plötzlich ein Jüngling anspricht: "Hello. Nice to meet you. I'm (name vergessen). What's your name? Are you alone? Are you going into the park" Na hoppla, das sind aber bisschen viele Fragen auf einmal. Was sagt man da am schlauesten...hmm..starten und enden wir mal direkt: "Yes, hi. Nice to meet you. Park, yes and I have a boifurendo. Bye!" - "Oh will go with you" - "Äh...no. I'll go A-L-O-N-E!" Irgendwann hat man ja einfach keinen Bock mehr freundlich zu sein. Der Scheiß ist mir nämlich hiermit zum 4. Mal passiert und es nervt! So...den hätte ich also abgeschüttelt. Ich folge also weiter meinem Hörsinn und finde mich plötzlich zwischen Essensbuden und mehreren Bands wieder, die mit voller Ausrüstung alle 5 Meter aufgereiht sind und Konzerte geben, die kaum einer wirklich hören kann, denn es sind sehr viele Bands, die sehr laut spielen und nur sehr kleine Abstände zwischen sich haben. Das lässt sich schwer trennen im Ohr. Trotzdem ganz cool so an sich. Vor allem der Gitarrist, der herumwackelt und -springt das Gesicht verzieht und beinahe sein Instrument zerstört als ginge es um den ganz großen Plattenvertrag. Und dann...mitten im Musikbrei...erblicke ich ihn: ELVIS! Und gleich daneben: ELVIS! Und hey daneben noch viel mehr Elvise! Geilo! Alle in komischen schwarzen Lederhosen und Unterhemden. Mit Rockerstiefeln. Vielleicht also eher eine Mischung aus Elvis und Rockerbilly. Aber die Frisur ist eindeutig Elvis! Und die Elvisse kleben gerade ihre Schuhe mit Klebeband. Das heißt, sie erweitern ihre Klebebandbatzen um ihren Füßen mit noch mehr Klebeband zu Klebebandklumpen. Aus den Verstärkern dröhnt wild durcheinander ohrenbetäubende Musik, denn auch hier gibt es mehrere Gruppen, die um die Gunst des herumstehenden und verlegen grinsenden Publikums buhlen. Kurz werden noch die Tollen mit dem Kamm gerichtet und die Spraydose leergesprüht und dann kann die Show endlich beginnen. Nunja, "Show". Die besteht im Grunde genommen nur daraus, dass diese lustigen Menschen sich im Kreis aufstellen und tanzen. Mit Hingebung tanzen. Sie schwingen Beine und Hüfte, sie schnippen mit den Fingern, tänzeln von einem Fuß auf den anderen und strapazieren ihre Außenbänder, schmeißen sich auf den Boden, werfen sich in den Mogelspagat, rutschen voreinander her und schmettern die Luftgitarre...aber wichtig: dies alles nicht im Takt. Klar, denn es sind ja Japaner. Das heißt in ihren Wurzeln. Augenscheinlich sind sie Elvis. Und ihre Mädels sind ihre Groupies, die in ebenso passendem Outfit gelangweilt guckend daneben sitzen. Man kann auch nicht genau ausfindig machen, ob sie ihre Männer nun gut finden oder sich für sie schämen. Würden sie sich die Gesichter des Publikums genauer ansehen - vor allem die der Ausländer - würden sie vermutlich letzteres tun. Man kann hier nämlich herrlich Mimiken von peinlich berührt, fassungslos dreinschauend, über schallend lachend, bis hin zum entsetzten Kopfschütteln finden. Ich selbst bin gemischtgefühlig angesiedelt. Ich komme aus dem Grinsen nicht mehr raus, finde es toll, dass man so was zu seiner Passion macht und auslebt und gleichzeitig empfinde ich auch tiefes Mitleid, da ich denke, dass sie sich bestimmt cool fühlen mit dem was sie machen, aber die Leute eigentlich nur kommen, um sie zu belächeln. Hach...und hatte erwähnt, dass die Musik grauenerregend ist? Japanische 50er / 60er Pseudorockswingwieauchimmermusik. Oder aber mittendrin originale Elvissongs vermutlich noch auf Kassette aufgenommen und das wiederum vom Plattenspieler und das wiederum auf Cd gebrannt. Die Tonqualität ist verheerend. Aber hauptsache laut. Und als plötzlich der einzig Glatzköpfige Elvis direkt vor mich schliddert weiß ich auch, warum seine Schuhe mittlerweile gänzlich aus Gaffatape bestehen. Schlidder schlidder rutsch rutsch. Das hält selbst der beste Schuh nicht lange durch.

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