Dienstag, 31. Juli 2007

Der Schuh schlappt, der Fuji rockt

Zwei Konstanten gibt es hier in meinem japanischen Alltag: draußen pisst's, Laura frisst. Mein Güte. Beides in heftigem Ausmaß. Tokyo ertrinkt und ich mutiere zum Sumo, zumindest fühl ich mich grad so (ich komme von Ninas Schwiegermutters Geburtstagsessen). Die Häufigkeit meiner Abendessen in Lokalen übersteigt die, der letzten Monate, ach was sag ich, Jahre wahrscheinlich, bei weitem. Aber so ist das nunmal. Bei diesem lustigen Völkchen dreht sich alles ums Essen. Und um zu große Schuhe. Das muss ich hier mal kurz einwerfen. Eine Feststellung. Beobachtung quasi. Japaner haben eine komische Beziehung zu Schuhen. Mal abgesehen davon, dass es hier kein Mittelklassesegment gibt, denn es gibt entweder: saubillig in beschissener Qualität oder den Designerschuh zu horrenden Preisen, sind sie einfach nur: krass. Krass meist im Sinne von krass hässlich. Und, und jetzt kommt's: krass zu groß. Ich sehe hier ständig Mann wie Frau mit VIEL zu großen Schuhen. Und wenn ich viel zu groß sage, meine ich geschätzte 5 Nummern, kein Scheiß. Vorne, hinten, oben, unten: zu groß. Frauen tragen gern auch zu große Pumps und können dann -verständlicherweise-nicht in denen laufen, sondern spaggen unbehende und vermutlich von Schmerzen geplagt und auf jeden Schritt konzentriert in der Gegend herum. Gut, man kann hier Schuhe meist nur in "one size" kaufen oder in den Größen: S, M, L. Aber dennoch: freiwillig zu große Schuhe stößt bei mir auf Unverständnis. Aber ich bin Schuh-technisch sowieso voll out hier.Seit meinen ersten Tagen hier weiß ich: "Laura, es mangelt dir an hochhackigen, goldbestückten schrillen Stöckelschühchen mit pinken Schleifchen!" Aber in anderer Weise merkte ich das dann nochmal am Wochenende. Da gings zu Fujirock. Einem der ganz wenigen Festivals hier in Japan. 70% der Leute dort trugen Gummistiefel in allen Varitionen, die restlichen 30% trugen Crocs....diese komischen bunten Gummiknubbeldinger, die schlicht und ergreifend nicht schön sind.
Aber man trägt sie hier halt, weil man es halt tut, ne?! Is klar! Ich tue und tat es nicht. Ich trug Turnschuhe. Aber auf diesem Festival hätte ich vermutlich auch barfuss herumlaufen können und hätte mir am Abend noch nicht mal die Füße waschen müssen, so sauber war es da. Unglaublich. Kein Müll auf der Wiese. Gar kein Müll irgendwo. Außer in den dafür vorgesehenen Müllbeuteln. Müllbeutel, die geduldig von in Müllstationsbretterverschlägen stehenden nett lächelnden Müllmädchen aufgehalten wurden, die einem erklärten, in welchen Müllbeutel welcher Müll reinmuss. Es gab die Restmüllbeutel, die Papierbechermüllbeutel und nicht zu vergessen, den extra Müllbeutel für alle Einwegholzstäbchen (Müll, Müll, Müll). Zudem sah ich nicht einen Betrunkenen und nicht einen unter anderen Rauschmittel Stehenden...dafür sah ich wabernde Massen an schwarzhaarigen Menschen, denen es immens an Taktgefühl mangelte und dem zu Folge auch an der Fähigkeit, sich rhythmisch zu jeglicher Art von Musik zu bewegen (sprich: die können hier nicht tanzen. Selbst ein bisschen Wackeln zur Musik sieht zum schreien komisch aus). In Folge dessen fällt auch Rumgespringe, Gehopse und Ge-pogoe und von den lieben Mitmenschen auf den Händen nach vorne zur Bühen Getrage aus. Gibts nicht. Oh, nein, ich lüge: ich habe es einmal gesehen. Aber wirklich nur ein einziges Mal. Dementsprechend waren auch die extra aus anderen Ländern eingeflogenen Securities(vermutlich. Auf jeden Fall fand sich tatsächlich kein einziger Japaner unter ihnen...die Vorstellung eines breitschultrigen Japaners, der sich vehement durchsetzen kann, ist aber auch tendenziell eher witzig) eigentlich umsonst. Weil es gab nix zu schlichten. Genauso wie es nix zu verstehen gab. 90% der Ansagen internationaler Künstler blieben vermutlich unverstanden. Denn es erfolgte meist keine bis zu einer eher jämmerlichen Reaktion ("Yeeeeaaah" in geringSter Dezibelzahl) oder eben wie gesagt: Stille und sich wunderndes Raunen. Außer wenn der Bandname genannt wurde und "arigato" gesagt wurde. Das wurde verstanden. Da stieg die Dezibelzahl ein wenig. Es war zu putzig. Aber auch einfach nur sympathisch. So viele witzige, alternative Japaner auf einem Haufen sieht man selten (und Japaner mit Dreadlocks sehen echt gut aus, das muss man echt mal sagen!), alle friedlich, nicht aufdringlich, einfach die Musik genießend, nicht unangenehm betrunken und pöbelnd...es war herrlich. Ebenso wie die Warteschlangen vor den Dixiklos. Kilometerlang, aber ordentlichst aufgereiht. Ich war fasziniert. Aber erkundete trotzdem lieber das Dickicht. So viel Zeit hatte ich echt nicht. Ich musste ja von Band zu Band hetzen. Zudem war die "Location" einfach nur genial. Das Festivalgelände war riesig und in nem Skigebiet gelegen. Man musste ständig durch Wälder marschieren...immer wieder zwischendrin haben sie Lichtinstallationen in den Wald gesetzt, einen Bretterweg durch die Bäume hindurch gebaut oder Steine im Fluss zu kleinen Tierchen angemalt (klingt kindisch, aber ich fand's echt schön). Es gab immer wieder Neues und Kleinigkeiten zu entdecken. Fazit: toll.














Da meine Begleiter schon etwas betagter waren (sie mögen mir diese Aussage verzeihen), wurde nicht auf dem (vermutlich ebenso blitzsauberen) Zeltplatz genächtigt, sondern in einem Nachbarkaff in einer uralten, schrulligen, typisch japanischen Pension. Mit typisch japanischem Frühstück. Ich bin's ja mittlerweile gewohnt, mir Unbekanntes zu bestellen und unidentifizierbares Zeug zu essen....aber morgens nach dem Aufstehen geräucherten Fisch, Reis, Seetang, und so eingelegte saure Gemüsefruchtmutationen sowie Seetangtofusüppchen....das war nicht so richtig mein Ding. Ich mein, der Hunger treibt's rein, aber ich präferiere dann doch lieber ein gesundausgewogenes sowie gleichsam vitaminreiches Nutellabrötchen. Mit Schweißhandtuch bewaffnet ging's dann zu nem kleinen Spaziergang in die japanische Bergwelt. Auch da ist alles betoniert. Wie überall. Japaner lieben Beton. Sogar Holzpflöcke waren gefaket und aus Beton. Wunderhübsch. Aber so können japanische Prollpärchen auf und in hochhackigen und natürlich zu großen Schuhen gefahrfrei ihren Sonntagsausflug machen. Ich prollte fröhlich mit. Wenn auch anders (siehe Bild). Denn meine Schuhe passen ja.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Nennen wir es: Eindrücke

FlipFlops mit Stacheln. Unbedingt!











Themenwoche?! Aktuell: "Arielle, die Meerjungfrau"?!




















Sehr witziges Lokal mit alternativen Kellnern und Reggae.




Der Getränkeautomat. Zu sehen: überall. Anzahl: immens
Frequentierung: quasi null.

Schnipp Schnapp Haare ab

Jaja, auch ein Friseurbesuch kann hier zu einem spaßigen Erlebnis werden.
Letzte Woche haben wir zwei Kummerschwestern einstimmig beschlossen, dass wir scheiße ausschauen (zu sehen auf diesem gar entzückenden Vorherfoto) und deshalb zum Friseur müssen (einer meiner Gründe hierfür war denkbar einfach: weniger Haare, weniger schwitzen). Gesagt getan, am Montag gings los. Nina war schon da, ich kam nach. Sie hatte schon vorher erwähnt, dass der Friseur sehr witzig wäre, ich wusste also grob was mich erwartet: Spaß...und: Haare ab, natürlich. Beim Haarewaschen fing es dann schon an. Das machte - wie in Deutschland - der Lehrling und der war mehr als vorsichtig und sehr schüchtern. Ein weißes Papiertüchlein würde mir übers Gesichtchen gelegt und dann wurde mein Haar so behutsam gewaschen als könnte es zerbrechen und bei jeder Bewegung die er machte, wurde sich schön entschuldigt, so dass ich unter meinem Papiertüchlein aus dem Grinsen nicht mehr herauskam.
Beim Haareschneiden ging dann wieder das übliche Kommunikationsproblem los. 100 Zeitungen wurden angeschleppt und unverständliche Skizzen von mir und ihm angefertigt bis schließlich klar war, welche Frisur ich bekommen sollte. Gelöst schlussendlich von meiner Schwester, die unter ihrer Trockenhaube als Dolmetscher fungierte. Gar zärtlich wurden meine Härchen angefasst, Millimeter für Millimeter geschnitten (..ich war kurz davor zum Proll zu werden : "Alteeer, mach hinne, schneid sie ab die Wolle"), immer wieder nachgefragt, zwischengefragt ("soll der Pony wenn er hängt bis zur Augenbraue g
ehen oder wenn sie ihn zur Seite macht?"...checkte ich nicht, hab ich mal schön "hai hai" gesagt), zischengefönt, nachgeschnitten, strähnchenweise herumgezupft ("wie fransig will sie's denn haben?! wenig fransig, halb fransig oder sehr fransig?"), wieder geguckt, wieder gefragt, wieder ein Millimeterchen abgeschnitten, gewitzelt, gelacht ("warum ist denn ihre Stirn so heiss, hat sie Angst?!" neeeee, nich doch, ich krieg hier ja nur von nem Menschen, den ich nicht versteh und der mich nicht versteht die Haare geschnitten und der gesamte Laden steht außenrum und glotzt, aber sonst ist alls easy) bis schließlich überraschend viel mehr Haare ab waren als ich gedacht hätte bei den Millimeterchen, die er immer nur abschnitt. Die anderen Friseure lächtelten gespannt auf meine Reaktion in den Spiegel - ich lächelte ANgespannt zurück und hob schließlich beide Daumen zum Lob. Puuuh, alles gut gegangen.
Normalerweise sagt man dann hübsch danke, zahlt und geht...bei uns wurde aber noch ein kleines Fotoshooting eingeschoben und wir gebeten, doch bitte die Händchen zum Peacezeichen zu erheben (welch Fauxpas, wir sind schließlich in Japan..also echt)........
.......denn er hätte einen blog und möchte das gerne da reinstellen.....

....oh mein Gott....
....zu spät....
Heute erreichte mich im Büro eine email meiner Schwester mit einem link. Nichtsahnend klickte ich darauf um eine Millisekunde später in peinlichberührtes Prusten auszubrechen, als ich unser Granaten-Foto mit der Überschrift: "beautiful sister" auf dem Bildschirm entdeckte.......die japanisch logische, bereits bekannte und im letzten "Bericht" beschriebene Folge: alle Kollegen versammelten sich um meinen Computer: "aaaah" "oooooh" "hihihihi"
.....na prima....
Nun bin ich also in einem japanischen Friseurblog (http://yozchan.jugem.jp/) mit einem gequälten Lächeln und einer Asiatenhaar-ausgedünnten Frisur zu sehen, die bei mir bewirkt, dass ich quasi nur noch Federn auf dem Kopf habe, die stets luftig im Wind wehen, wovon ich allerdings nur wenig spüre, da sie ja sehr fedrig sind, quasi ein Hauch von Nichts...aber mein Ziel mit dem weniger Schwitzen hab ich super erreicht.
Der Text zum Bild wurde mir gerade von meiner Schwester vorgelesen, ein Auszug aus der endlosen Beschreibung unserer beiden Schnitte: "buripuritybobraurahair". Was wohl soviel heißen soll wie: Laura's hair is a very pure bob. (tschäpäniiis inglisch is se best ei tould schu!) Des weiteren ist dort zu lesen, dass meine Schwester, die unheimlich gut japanisch spricht, schon drei Mal seit Dezember da war, dass sie schon viele Freunde zu ihm gebracht hätte, wofür er sehr dankbar wäre, dass die kleine Schwester studiert, den Sommer in Japan verbringt, deutsch gesprochen hat, aber dennoch very charming war, dass wir bald zu Fujirock gingen und ihm mit unserem Besuch einen tollen Start in die Woche beschert hätten, die Woche könne nur gut werden.
Ich muss sagen, ich bin schon ein bisschen gerührt...so irgendwie...schon niedlich...wenn auch peinlich...doch ich stelle mir vor allem wiederholt die Frage: Wen interessiert so was?!?!
Und genau aus diesem Grund habe ich diese ausführlichste Berichterstattung meines Friseurbesuchs für euch verfasst. Jawollja.

Und hier das obligatorische Nachher-Bild. Mit Zahnbürste vom japanischen Dr. Best (der hier in der Fernsehwerbung vermutlich nicht gegen eine unreife Tomate, sondern wohl eher gegen ein ausgetrocknetes Sushi drückt)
Zugegeben, man sieht kaum einen Unterschied. Aber ich fühle ihn enorm. Am Hinterkopf ist Kurzhaarfrisur angesagt und wie gesagt: diese Luftigkeit...herrlich.
P.S.: Ich habe heute zum x-ten Male auf dem Weg zur Arbeit meinen Freund, den Fensterputzerbewacher getroffen. Heute habe ich mit Schrecken feststellen müssen: Er ist eigentlich eine Sie.....nunja...

Samstag, 21. Juli 2007

Nähere Ausführung zum gestrigen Abend

Ach, ich musste grad sehr schmunzeln als ich mir mein eigenes Gschmarri von heute Nacht durchgelesen habe und gleichzeitig war ich doch sehr stolz ob meiner Rechtschreib-Fähigkeiten, denn ich weiß lediglich noch, dass es verdammt anstrengend war, die Tasten zu treffen...hihi.

Da der Regen uns zum zweiten Mal unsere Wochenendplanung versaut (letztes Wochenende wollten wir ja eigentlich den Fuji erklimmen), bin ich nun also nicht wakeboarden und habe massig Zeit zu schreiben...hübsch versifft auf meinem Futon sitzend, mit nem Kopf schwer wie Blei und einem mit Nutellatoast gefüllten aber immer noch flauem Magen (man nennt das wohl Kater), wohlwissend, dass meine Kollegen gerade einen regulären Arbeitstag beginnen.

Ich bin ein Schwein.

Aber ich fühle mich ganz gut dabei, eigentlich.

Und da ich ja - wie bereits erwähnt - so viel Zeit habe, gönne ich es mir einfach mal, den gestrigen Tag Revue passieren zu lassen.


10.05: Ohaiogosaimas. Der Tag beginnt. Keita kommt zu mir an den Computer. "Rooora. Ju gat miiiting wis Yamashitasan." - "I have a meeting? What kind of meeting? When?" - "Now" - "Ach". Rechtzeitige Vorbereitung ist alles.

Mit reichlich Improvisationsgabe hab ich dann aber auch das hinter mich gebracht. Es ging über "ruuubaas", das sind Sonnenschutzlamellen. Ihr kleines elektronisches Wörterbuch hat dieses Wort ausgespuckt ("louvers") und seitdem benutzen sie es ständig und ich hab lang gebraucht um herauszufinden, über was genau ich da eigentlich im Internet recherchieren soll und bin mir auch immer noch nicht sicher, ob das überhaupt das richtige Wort ist. Nunja. Ich sorgte auf jeden Fall für große Augen und großes Staunen als ich bei der "gemeinsamen Ideenfindung" auf japanisch(!!!) von recycelten Kunststoffen berichtete (da ich ja nicht wusste, über was sie gerade sprechen, hab ich einfach auf gut Glück Schlagworte in den Raum geworfen). "Oooooh. Aaaaah. Ai not laik USA. Battt ai laik tschömäniis. Sey häf gudd täcknolodschiis". Vielen Dank. Leider sehen sie mich nun als Spezialisten des ökologischen Bauens. Weil wenn man deutsch ist, dann ist man das anscheinend ganz automatisch. Na Prost Mahlzeit.

12.00: Modellbau folgte. Denn ich hab ja ein Haus entwerfen dürfen und fand mich plötzlich Modellbauend wieder. Ich als der Modellbau-Star. Mist. Aber ich hab mir große Mühe gegeben. (Das Projekt erinnerte mich auch irgendwie ein wenig an "Einsatz in 4 Wänden"...soundsoviel Quadratmeter, das und das muss drin sein...Küche 2,55m lang usw.)

15.00: zurück aus der Mittagspause erlebte ich das Phänomen des Japaners in seinem Verhältnis zu Fotos. Tjaja. In der Mittagspause erzählte ich Keita stolz wie Oskar von der Abschiedsüberraschungssushifeier in Coburg und dass Niki da jetzt die Fotos ins Netz gestellt hat und wie sehr ich lachen musste als ich sie entdeckt hab und musste ihm dann natürlich versprechen, ihm diese im Anschluss zu zeigen. Tat ich. Grober Fehler. Denn ich öffnete das erste Foto und kam zu den Worten "this is..." da stürmte auch schon das ganze Büro - ALLE - wie eine wildgewordene Herde an meinen Computer, grinste, lachte und kommentierte alle Bilder mit freudestrahlenden "aaaaahhhhs" und "ooooooohs"...bis ein Foto vom Flo erschien, da wurde das "aaaaah" zu einem "aaaaah, boyfurendo" erweitert. "Moment, neee, nix boyfriendo, good friendo". Aber gut, das war wohl schon zu spät, denn da wurde schon allen Nichtenglischsprechenden erklärt, dass das der Rooora-Boyfurendo ist. Na bitte. Sollen sie denken, was sie wollen. Ich freue mich wenn sie sich freuen. Und ich freue mich auch ungemein, dass jetzt alle meine Kollegen mich und meine Freunde mit feuchtfröhlichen Dummgrinsgesichtern kennen.

19.00: Meeting mit den Bauherren für die Häuschen: Vater, Mutter, Blödkind. Mit Tamagotchi um den Hals gehängt. Schlürfend, sabbernd, Modelle zerstörend, Füße auf den Tische legend, rumnörgelnd und vom Papa dafür immer nen Klapps auf den Kopf bekommend. 4 Häuser wurden ihnen zur Auswahl gestellt. Mein Chef breitete die Grundrisse auf dem Tisch aus und meine beiden Kollegen (die ganz gern Tshirts mit lustigen Aufdrucken tragen, hatten sich extra über ebendiese adrette Hemdchen angezogen) saßen still daneben. Ich war nicht adrett, saß aber auch still daneben. Bis er anfing zu erklären. Da hätte ich am liebsten meinen grünen Tee über den Tisch geprustet, denn er klang so bescheuert, dass man hätte denken können, er würde ersticken oder hätte sich verschluckt. Japaner reden wohl bewusst abgehackt, wenn sie etwas erklären, das erzählte mir Nina heute Morgen, aber das wusste ich ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "no...e...ata no..des no....takano no....hiha no...nit no...krmurz no...kiiitscheen no...walkspace no..nta no..."
Faszinierend, mit wie wenigen Vokalen und mit wie vielen Konsonanten man eine gesamte Hausgestaltung erklären kann.

19.45: Höchste Zeit zu gehen. Ich sollte auf eine "Party" von Shima, deren emailadresse mir Bernhard netterweise aber vor Partyexzessen warnend weitergegeben hat, nachkommen. (Das Ende ist bereits bekannt. So viel zur Warnung). Also ab in die Ubahn. (Mein Freund der Fensterputzeraufpasser stand morgens wieder und abends immernoch da und bewachte mit ernster Miene den Gehsteig und die sich darauf befindenden Blumentöpfe) .

Es wurde großartig.


Man muss sich das sehr typisch vorstellen: Japanisches Minirestaurant. Man sitzt am Boden und zieht -natürlich- die Schuhe aus. Das ganze Lokal voll mit Anzugträgern mit Aktentäschchen, frisch von der Arbeit und schon raketenvoll. Unser Tisch genauso voll mit uniden
tifizierbarem aber sehr leckerem Essen, mehreren Bier- und Sakegläsern und drumherum kreischende Japanerinnen. Kaum gesetzt stand auch schon ein Bier und ein Glas vor mir und füllte sich mit Sake aus einer riesigen Flasche. Wer kann der kann. Lieber klotzen als kleckern, ne?! Weißte bescheid. Und sofort ging das Anstoßen los: "kampaiii" (meine ich mich zu erinnern) "Laura, how do you say in Germany?" - "Prost" - "Aaaahhh. PUUUST" (Naja, fast) Aufgrund der Tatsache, dass dieses Sake-"Fass" schon nur noch viertel voll war, waren die männlichen Japaner auch schon um einiges unschüchterner und es dauerte nicht lang bis Shima die ersten Fragen à la "wie findest du japanische Männer?" "wen von uns findest du am attraktivsten?" usw übersetzen musste. Na prima. Instinktiv hätte ich am liebsten geantwortet: "also für Japaner seht ihr ganz gut aus, aber ich steh leider so rein gar nicht auf Japaner" Aber die Höflichkeit verbietet einem so was ja noch im richtigen Moment. "Laura, how do you say?" - "Prost" - "Aaaaah. POST" (Knapp daneben) Ich versuchte mich also herauszuwinden wie ein Aal und aß einfach ein Stück von ebendiesem, weil mit vollem Mund soll man ja nicht sprechen. "Laura, how do you say in Germany?" - "Prost" - "Aaaah, PROSTATA" (Volltreffer)

So ging der gesamte Abend. Alle war
en wirklich witzig, saugastfreundlich, laut, verrückt und betrunken. Man stolperte also gemeinsam aus dem Lokal heraus, die kleinen Mädels knickten auf ihren hochhackigen Schühchen um, die Jungs stützten sie und kaum im anschließenden Club angekommen, kippte die eine auch schon um und fiel in einen schlagartigen Tiefschlaf. Herrlich. Beobachten macht Spaß. Und den Abend mit diesen Leuten zu verbringen noch viel mehr. Ich hoffe auf baldige Wiederholung, allerdings werd ich dann arm.

Als ich heute Morgen dann erfuhr, dass Wakeboarden gestrichen ist, legte ich mich nochmal hin für ein kleines Nickerchen und erschauderte als plötzlich kurz die Erde bebte. Das hatten wir ja erst letztes Wochenende. Aber ich versuchte Ruhe zu bewahren. Im Halbschlaf nicht allzu schwer. Da...nochmal ein Erdstoß...mannmannmann.....aber wie gesagt: ruhig bleiben, geht alles vorbei. Trotzdem unheimlich. Beim Frühstück fragte ich Schwager Svensan ob er auch die zwei Erdstöße grad bemerkt hätte. Hat er nicht......hmmm..vielleicht der Sake?!


Japanische Nächte

Ich war aus. Mit Japanern. Mit Japanern, die echt gutes Englisch sprechen konnten. Und ja, wie soll ich sagen: ALLE Geschichten, die man so kennt, treffen zu und es war verdammt noch mal sauwitzig (wenn auch teuer, aber ich versuche das zu verdrängen). Mein Zimmer fährt Karussel und ich verfluche den Sake. Und den Tequila. Den hab ich auch vorher schon verflucht, aber man will ja kein Spielverderber sein, ne?! Also fährt mein Zimmer nun Karussel oder Lori fährt Zimmer in ihrem Karussel..oder fährt Karussel in ihrem Zimmer...ach herrje, ist das schwierig. Und hatte ich erwähnt, dass ich um 5 Uhr aufstehen muss, weil wir Wakeboarden gehen werden? Hihi...na das wird ein Spaß. Na auf jeden Fall trinken sie viel und vertragen wenig. Was für uns Europäer blöd ist, weil wir das Doppelte eingeschenkt kriegen und plötzlich 10 männliche Japaner am Hals haben, weil man halt nun mal nicht asiatisch ist, sondern irgendwie was besonderes...und man will ja in diesem Land auch nicht unhöflich sein, weil Höflichkeit ja größte Tugend und so und beim regelmäßigen Klogang (die Häufigkeit steigt ja mit den cl die man trinkt) nicht vergessen darf, die Kloschühchen anzuziehen. Unbeholfen stolpert man dann also beholzpantoffelt auf die Toilette. Meine Herren. Auf was man nicht alles achten muss und man muss ja auch immer höflich bleiben. Höflich höflich höflich. Und immer schön prost sagen. Und "kampaiiiiii". Jaja. Und schwupps, ehe man sich versieht (das geht ja schneller als einem das lieb ist), hat man kleine betrunkene Japanerinnen an einem dranhängen, die einen gar nicht mehr loslassen wollen und das einzige Wort, das ich bei dem Englischkauderwelsch noch verstehen kann, ist "drunk"...na was sonst auch...braucht man mir auch nicht zu sagen, sieht man ja sofort und ich spüre es auch...sie sind schwer, wenn auch nicht groß aber schwer in diesem Zustand (man will sie ja auch nicht fallen lassen, wenn sie einen so hilfesuchend umklammern). Nunja...also abschließend, weil ich muss echt schlafen, wie soll ich sagen: ich verbrachte den Abend dauergrinsend, vor mich hinschmunzelnd, kichernd, wundernd, errötend, lallend und "Peace"-Zeichen auf Fotos machend....jaaa...ich bin in der Tat sehr anpassungsfähig. Schön. Kampaiiiiiii. Mehr davon. Es macht Spaß.

P.S. und sie haben mich Laura...vielmehr Raura oder Laula genannt. Ich hab mich gefreut.

Dienstag, 17. Juli 2007

Das wichtigste im Bild


"Mein" Büro. Durchgestylt und großzügig bis ins kleinste Detail....Inklusive der....














Hausschuhe, jawollja. Hoch lebe die kollegiale Fußschweißteilung.

Mein Mittagessen, ein als Kuchen getarnter Hundehaufen oder umgekehrt.

Mein Arbeitsplatz

Mein Zimmer (extra für Nicola!).

Tierquälerei! Robbenbabies auf offener Straße ausgesetzt! Da man nicht weiß wohin mit ihnen, werden sie nun vermutlich zu Sushi verarbeitet.


Montag, 16. Juli 2007

Rooora

Ja, Roora. So ist mein Name. Hier in diesem kleinen Land fernab von "3 im Weggla" und der "Coburger Geknickten im Brödla". Seit einer Woche nun reagier ich nicht mehr, wenn man nach mir ruft. Unabsichtlich natürlich. Seit einer Woche komme ich morgens in ein winziges Büro, das von oben bis unten zugestellt ist mit Zeitschriften, Ordnern und Modellen und in dem sich zwischen all dem Wust 10-12 (es variiert täglich, ich steig da noch nicht durch) vollkommen arbeitswütige kleine Japaner befinden, die emsig auf ihren Computermäusen herumklicken und auf ihre Bildschirme starren. Durchgängig. Sie sind so emsig, dass kaum einer zurückgrüßt, wenn ich mein hübsch auswendig gelerntes "Ohaiogosaimas" (schlechte Lautschrift) dahinstopsele. Also zieh ich eben meine Schuhe aus, nehme mir die hübschen schwarzen Pantoffeln aus dem Regal und verziehe mich an meinen winzigen Arbeitsplatz mit ebenso wenig Arm- wie Beinfreiheit (jede Ecke wird ausgenutzt, Ordner passen schließlich überall hin). Bevor ich anfangen kann, nach Aufgaben zu fragen, muss ich mir aber erstmal mit meinem Tokyostadtplan Luft zufecheln, sonst würde ich - keine 2 Minuten im Büro - ohnmächtig werden aufgrund einer Mischung aus nicht zu übertreffender Schwüle draußen wie drinnen und dazukommender schlechter Luft verstärkt durch das Ketterauchen des Chefs (4 Züge genügen, danach wird die Zigarette ausgedrückt und die nächste angemacht. Faszinierend wie schnell ein Aschenbecher voll werden kann)....kein Wunder, dass meine kleinen asiatischen Kollegen des öfteren mal in kleine Tiefschlafphasen verfallen so das ihre Köpfchen hin-und herbollern. Ob das nun ausschließlich am mangelnden Sauerstoff oder vielleicht doch an den unmenschlichen Arbeitszeiten (Fr-Sa 10-21Uhr regulär. So offiziell frei, genau wie Feiertage. Inoffiziell wird gearbeitet. Und um 21Uhr wird auch nicht heimgegangen. Um 21Uhr macht keiner außer mir irgendwelche Anstalten in nächster Zeit mal die Sachen zu packen. Da beginnt erst der japanische Wettstreit "wer schaffts länger im Büro zu bleiben? Letzte Woche siegte Keita (im übrigen der einzige, der EINIGERMAßEN der englischen Sprach mächtig ist) mit 2 Nächten Kurzschlaf auf dem Bürofußboden) liegt, hab ich noch nicht herausgefunden...huch, na wenn man vom Teufel spricht, da isser ja auch schon, der Keita: "Rooooora, ai got nu miiischn fo ju" "Oh great. What can I do?"...umständliche Erklärungen folgen. Ich raffe nix. Ich rate. Und fange auf gut Glück mal an. Und halte mich grob an das, was ich meinte verstehen zu können. Ich ordere eine Zwischenbesprechung, damit ich nur 1 Stunde und nicht mögliche 3 Stunden etwas falsches mache: "So...blablabla..." Reaktion: unsicheres Lächeln "Keita, did you understand what I said?" - "Eeeeetttooo (japanisches "äh") yes yes yes..." - "Really?" - "Eeetttoooo. No" Nun gut, erklär ich halt alles nochmal und versuche noch schlechteres Englisch zu verwenden. Es scheint zu klappen. Denn ich bin schon so weit in die japanische Kritikübung eingedrungen, dass ich jetzt weiß: wenn das, was ich gemacht habe, total falsch war, dann wird einfach japanisch gesprochen über das Getane und mit mir. Hilft mir nicht viel, aber ich weiß zumindest: "Laura, mach's nochmal" Nunja...so oder so ähnlich ("is it ok or is it wrong?" - "yes" - "so it's ok" - no - "so it's wrong" - "no"...HÄ?!) geht das geschlagene 11Stunden. Um 21Uhr - pünktlich - schleiche ich mich dann von meinem Computer weg und tausche Hausschühchen gegen meine eigenen und verabschiede mich höflich und mit schlechtem Gewissen, da ja alle noch bleiben um weiterhin still vor sich hin zu arbeiten. Wer weiß wie lange. Was bin ich froh, dass ich gleich am ersten Tag mit ganz lieb Gucken und Fragen ein paar Sonderreglungen heraushandeln konnte! Aber das ging auch ganz leicht. Denn ich habe einen sehr lieben Chef und auch sehr liebe Kollegen. Nur können sie halt nix zu mir sagen. Und ich auch nix zu ihnen, zumindest nicht auf japanisch.
Also ab in die vollkommen überfüllte Ubahn. Gewissenhafte uniformierte Männerchen passen darauf auf, dass auch jeder hinter dem gelben Streifen wartet - es könnte Schlimmes passieren. Genau wie an dem Gebäude an dem ich morgens vorbeilief. Fensterputzer hingen im geschätzten 10. Stock, ein Teil des Gehsteigs war abgesperrt, ein Wachmann stand daneben und passte auf. In der Mittagspause stand er immernoch. Vermutlich wäre auch sonst schon mindestens ein Passant von einem heruntergefallenen Fensterleder erschlagen worden. Huuuuuh.