Montag, 16. Juli 2007

Rooora

Ja, Roora. So ist mein Name. Hier in diesem kleinen Land fernab von "3 im Weggla" und der "Coburger Geknickten im Brödla". Seit einer Woche nun reagier ich nicht mehr, wenn man nach mir ruft. Unabsichtlich natürlich. Seit einer Woche komme ich morgens in ein winziges Büro, das von oben bis unten zugestellt ist mit Zeitschriften, Ordnern und Modellen und in dem sich zwischen all dem Wust 10-12 (es variiert täglich, ich steig da noch nicht durch) vollkommen arbeitswütige kleine Japaner befinden, die emsig auf ihren Computermäusen herumklicken und auf ihre Bildschirme starren. Durchgängig. Sie sind so emsig, dass kaum einer zurückgrüßt, wenn ich mein hübsch auswendig gelerntes "Ohaiogosaimas" (schlechte Lautschrift) dahinstopsele. Also zieh ich eben meine Schuhe aus, nehme mir die hübschen schwarzen Pantoffeln aus dem Regal und verziehe mich an meinen winzigen Arbeitsplatz mit ebenso wenig Arm- wie Beinfreiheit (jede Ecke wird ausgenutzt, Ordner passen schließlich überall hin). Bevor ich anfangen kann, nach Aufgaben zu fragen, muss ich mir aber erstmal mit meinem Tokyostadtplan Luft zufecheln, sonst würde ich - keine 2 Minuten im Büro - ohnmächtig werden aufgrund einer Mischung aus nicht zu übertreffender Schwüle draußen wie drinnen und dazukommender schlechter Luft verstärkt durch das Ketterauchen des Chefs (4 Züge genügen, danach wird die Zigarette ausgedrückt und die nächste angemacht. Faszinierend wie schnell ein Aschenbecher voll werden kann)....kein Wunder, dass meine kleinen asiatischen Kollegen des öfteren mal in kleine Tiefschlafphasen verfallen so das ihre Köpfchen hin-und herbollern. Ob das nun ausschließlich am mangelnden Sauerstoff oder vielleicht doch an den unmenschlichen Arbeitszeiten (Fr-Sa 10-21Uhr regulär. So offiziell frei, genau wie Feiertage. Inoffiziell wird gearbeitet. Und um 21Uhr wird auch nicht heimgegangen. Um 21Uhr macht keiner außer mir irgendwelche Anstalten in nächster Zeit mal die Sachen zu packen. Da beginnt erst der japanische Wettstreit "wer schaffts länger im Büro zu bleiben? Letzte Woche siegte Keita (im übrigen der einzige, der EINIGERMAßEN der englischen Sprach mächtig ist) mit 2 Nächten Kurzschlaf auf dem Bürofußboden) liegt, hab ich noch nicht herausgefunden...huch, na wenn man vom Teufel spricht, da isser ja auch schon, der Keita: "Rooooora, ai got nu miiischn fo ju" "Oh great. What can I do?"...umständliche Erklärungen folgen. Ich raffe nix. Ich rate. Und fange auf gut Glück mal an. Und halte mich grob an das, was ich meinte verstehen zu können. Ich ordere eine Zwischenbesprechung, damit ich nur 1 Stunde und nicht mögliche 3 Stunden etwas falsches mache: "So...blablabla..." Reaktion: unsicheres Lächeln "Keita, did you understand what I said?" - "Eeeeetttooo (japanisches "äh") yes yes yes..." - "Really?" - "Eeetttoooo. No" Nun gut, erklär ich halt alles nochmal und versuche noch schlechteres Englisch zu verwenden. Es scheint zu klappen. Denn ich bin schon so weit in die japanische Kritikübung eingedrungen, dass ich jetzt weiß: wenn das, was ich gemacht habe, total falsch war, dann wird einfach japanisch gesprochen über das Getane und mit mir. Hilft mir nicht viel, aber ich weiß zumindest: "Laura, mach's nochmal" Nunja...so oder so ähnlich ("is it ok or is it wrong?" - "yes" - "so it's ok" - no - "so it's wrong" - "no"...HÄ?!) geht das geschlagene 11Stunden. Um 21Uhr - pünktlich - schleiche ich mich dann von meinem Computer weg und tausche Hausschühchen gegen meine eigenen und verabschiede mich höflich und mit schlechtem Gewissen, da ja alle noch bleiben um weiterhin still vor sich hin zu arbeiten. Wer weiß wie lange. Was bin ich froh, dass ich gleich am ersten Tag mit ganz lieb Gucken und Fragen ein paar Sonderreglungen heraushandeln konnte! Aber das ging auch ganz leicht. Denn ich habe einen sehr lieben Chef und auch sehr liebe Kollegen. Nur können sie halt nix zu mir sagen. Und ich auch nix zu ihnen, zumindest nicht auf japanisch.
Also ab in die vollkommen überfüllte Ubahn. Gewissenhafte uniformierte Männerchen passen darauf auf, dass auch jeder hinter dem gelben Streifen wartet - es könnte Schlimmes passieren. Genau wie an dem Gebäude an dem ich morgens vorbeilief. Fensterputzer hingen im geschätzten 10. Stock, ein Teil des Gehsteigs war abgesperrt, ein Wachmann stand daneben und passte auf. In der Mittagspause stand er immernoch. Vermutlich wäre auch sonst schon mindestens ein Passant von einem heruntergefallenen Fensterleder erschlagen worden. Huuuuuh.

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