Montag, 26. Juli 2010

Suchst du Ruhe auf dem Berg....

...gehst du am besten NICHT auf den Fuji.

19.30 Uhr
Wir besteigen frohgemut den Bus Richtung Fuji, der uns in 2 1/2 Stunden dorthin bringen soll. Mit uns steigen weitere 100 Menschen ein. Denn es gibt nicht wie erwartet einen Bus um halb acht, sondern vier. Wir haben zwar nicht erwartet, die einzigen mit diesem Bergbesteigungsplan zu sein. Wussten wir doch, dass man den Fuji nur in zwei Monaten im Jahr besteigen darf und auch dass der Japaner seinen Fuji geradezu vergöttert und man daher kein richtiger Japaner zu sein scheint, wenn man es nicht wenigstens einmal im Leben versucht hat. Dennoch. Ganz schön viel Menschen auf einmal.

22.30 Uhr
Die vier Busse halten auf 2305 m, lassen uns und die anderen Insassen der vier Busse heraus und wir treffen auf die Insassen zwanzig weiterer gerade eingetrudelter Busse. Zweiter Schrecken ob der Menge.
Dennoch: Lampen auf den Kopf und ab dafür durch die Nacht auf den Berg.

23.00 Uhr
Lautsprecherdurchsagen in Englisch und Japanisch schalmeien durch die Nacht mit Verhaltensregeln am Berg. Wo stehen hier Lautsprecher? Und vor allem warum? Wir sind auf einem Berg! In der freien Natur!
Aber naja, diese Natur ist eben japanische Natur.

24.00 Uhr
Ganz schön viel Leute hier.

00.30 Uhr
Im Lichtkegel meiner Stirnlampe sehe ich: schwarz. Beim späteren Herunterweg werde ich merken: das lag nicht an der Nacht.

1.00 Uhr
Die sich ballenden Menschenmassen steigen prozentual zum Toilettenbenutzungspreis an den Bergstationen.

1.05 Uhr
Keuchende Japaner links, rechts, über und unter mir. In ohrenbetäubender Lautstärke unterhalten sich drei junge Amerikaner mit erstaunlich viel "fucking" über das wenig zum Wort "fucking" passende Thema Molekularbiologie. Ich schaue nach unten und gehe stur geradeaus.

1.30 Uhr 
Ich passierte gerade eine in Erste-Hilfe-Decken eingewickelte, sich ausruhende Japanerin. An Equipment mangelt es den Japanern hier wahrhaftig nicht. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Touristen, die keinen Platz für Bergausrüstung im Koffer hatten und mit Jeans, Stoffschühchen und Tshirts, sowie ohne Wasser- oder Lebensmittelrationen hier sind. Verrückt.

1.55 Uhr
Werden irgendwie immer mehr Leute.
Musste warten bis ich zwei Schritte klettern durfte. Habe aber jetzt die 2 Meter zur nächsten Bergstation in 30 Minuten hinter mich gebracht. Ich finde das ist eine starke Leistung.

 













2.00 Uhr
Mein Ohr vernimmt das röchelnde Einatmen von Sauerstoff aus kleinen Sauerstoffspenderflaschen durch Japaner immer häufiger. Da mir unser Besuch aber vor kurzem folgendes Zitat eines nepalesischen Bergführers mitgeteilt hat: "Japanese people die very easy", heiße ich das für gut.

2.30 Uhr
Beneide die Japaner um ihre Sauerstoffflaschen, denn mir ist kotzübel.

3.00 Uhr
Habe zum ersten Mal in meinem Leben 200Yen dafür bezahlt, mich übergeben zu dürfen. Das war schön. Und ein Schnäppchen. Am Gipfel hätte es 300Yen gekostet.

3.05 Uhr
Wir stehen an. Wir stehen an, um den Gipfel eines Berges zu erreichen. Vor mir: eine bunte Menschenschlange. Hinter mir: eine bunte Menschenschlange. Ich tippe mittlerweile darauf, dass sich diese Schlange vom Anfang des Berges bis zum Gipfel ununterbrochen durchzieht.

3.06 Uhr
Aber der Sonnenaufgang ist schön. Ich beschließe also, mich umzudrehen beim Warten.















3.20 Uhr
Übelkeit lässt aufgrund des gezwungenermaßen sehr geringen Tempos: Zwei Schritte,  eine Minute warten, zwei Schritte, eine Minute warten... nach. Wir würden dies gerne mit einem kleinen Freudentanz feiern, können uns aber nicht bewegen, da wir zwischen Menschenmassen eingekeilt sind.

3. 40 Uhr. 
Wir stehen noch immer an

3.59 Uhr 
Bin fassungslos. Auf 3600m Höhe, morgens um 4 Uhr stehen Leuchtschwertschwinger und weisen uns darauf hin, besser langsam zu laufen, das sei ungefährlicher. Ich bin dankbar um diesen Tipp, denn ich wollte soeben losrennen.
Witzbolde.






























4.05 Uhr
Die Aggression meiner Begleiter hat ihren Höhepunkt erreicht. Sie beschließen, sich dem Hinweis des Leuchtschwertmannes zu widersetzen und sich wild am Rand vorbei kletternd an der Menge vorbei nach oben durchzuschlagen. Ich folge ihnen.

4.10 Uhr
Geschafft. Wir sind oben und können uns sogar noch ein kleines Plätzchen freier Resterde ergattern, um uns sitzend den Sonnenaufgang anzuschauen. Die Jungs machen sich Wasser warm, um delikate Fertigsuppen zu essen. Ich werde nichts essen, mir ist noch immer schlecht. Ich wünsche mich in niedrigere Gebiete.

























































5 Uhr irgendwas
Beschließen, den Abstieg rennend zu bewerkstelligen.

5. 31 Uhr
Finde, dass das eine gute Idee war. Denn der Weg nach unten besteht aus Geröll. Nichts als Geröll. Serpentinenförmig angelegtem Geröll. Im linken Augenwinkel kann ich erkennen, dass der Strom, der nach oben drängenden Menschenmassen noch kein bisschen geringer geworden ist. Mich wundert aber mittlerweile nichts mehr.

8.10 Uhr
Geschafft! Befinde mich dafür jetzt in ungeahnten Fußschmerzwelten.

10.00 Uhr
Sitzen im Bus und sind einstimmig der Meinung, dass das ein sehr skurriles Erlebnis war.

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