Freitag, 23. Juli 2010

Schildkrötenromantik

Zwar bin ich jetzt schon wieder 'ne Weile zurück in the Tokyo City, aber ich war auch mal weg . Und zwar in Okinawa. Also nicht ausschließlich da. Aber das erkläre ich noch. An dem Tag, an dem das Fahrradwunder geschah, kam ich jedenfalls zurück. Die zeitliche Reihenfolge der Geschichten hier entspricht also nicht unbedingt der Realtität. 
Alle die, die bereits die schriftlichen Ergüsse meines mir Angetrauten gelesen haben, dürfen hier aufhören oder weiterlesen, je nachdem. Inhaltlich können auf jeden Fall Ähnlichkeiten auftreten., denn wir waren ja zusammen da und haben somit auch die gleichen Erfahrungen gemacht. In der Natur der Dinge des geschlechtlichen Unterschied liegt, dass meine vielleicht etwas intensiver bzw. extremer waren. Ich denke hierbei an gewisse Lebewesen, die unseren Urlaub mit uns geteilt haben. Und da ich eine Frau bin, habe ich so manchen Besuch eben dieser mit einem leicht hyterisch angehauchtem Geräusch kommentiert. Aber nun erstmal zurück zum Anfang.

Okinawa. Kennen viele nicht. Und das ist vielleicht gut so. Oder auch nicht. Weil so keine touristische Überlaufung. Also. Japan ist lang und dünn und besteht aus vielen kleinen Inseln. Ganz im Süden besteht Japan aus vielen tropischen Paradiesinseln. Die größte davon ist Okinawa. Vielleicht noch am ehesten bekannt durch 
a) Amerikanischen Militärstützpunkt und damit einhergehende Skandale und so weiter und so fort
b) Karate Kid
Mir war Okinawa durch etwas anderes bekannt, aber ich habe es vergessen. Ich habe daher die Reihenfolge umgekehrt und mir nach Okinawa die Karate Kid-Filme angesehen. Ich habe mich allerdings noch nicht zu einer Entscheidung durchringen können, ob ich zu diesen Filmen eine Empfehlung aussprechen soll/kann oder nicht.

Also. Auf jeden Fall um Okinawa herum, oben drüber und unten drunter ist alles voll mit kleinen Inseln. Und drumherum ist nichts als türkises Meer. Und dazwischen fahren Fähren.
Wir haben uns also zwei Wochen zwischen Schule und Arbeit freigenommen, den Lonely Planet Japan gewälzt und schließlich beschlossen, in Okinawa zu landen, dann in den Norden auf die für uns interessantest klingende Insel und dann zurück nach Okinawa und von dort nach Westen auf  Miniinseln zu fahren. Gesagt getan. 
Ich war großer Erwartung. (Tropik. Sonne. Türkis. Einsamkeit....Militärbasen).
Aber irgendwie auch nicht. Weil Okinawa ist halt doch auch Japan. Und ich kenne meine Pappenheimer ja mittlerweile.

Und genau deshalb kann ich hiermit feierlich Beton-Naha präsentieren, die Hauptstadt Okinawas...
















...mit einer mäßig frequentierten Monorail mitten durch die Stadt und von da quasi direkt in den Flughafen rein....


...und dem romantischstem Stadtstrand, den ich jemals gesehen habe. Ein Strand, der für Reiseführer und Stadtbroschüren wohl gerne vom Wasser ins Landes Innere fotografiert wird. Wenn ihr jetzt die Augen schließt und euch Geräusche von Baggern und Presslufthammern und ihren lärmenden Kollegen vorstellt, dann habt ihr die Atmosphäre dieses wunderschönen und so japanisch pragmatisch gestalteten Fleckchen Erdes komplementiert. 

Genießt sie noch einen Augenblick, denn bald wird es sehr viel unentspannter, denn wir entfernen uns vom Beton und...

....nähern uns mit großen Schritten der von uns auserwählten Insel im Norden mit dem reizendem Namen Okinoerabujima. Der Lonely Planet warb mit einer Tropfsteinhöhle, atemberaubenden Stränden und einer Stimmung, die einer Zeitreise gleicht.
Wie recht er damit hatte. Der Franke in mir allerdings hat bei Betreten dieses Eilands diese blumige Beschreibung schnell und präzise in "Hier is' die Katz' gfreckt" umformuliert.
Die Zeitreise begrüßte uns in Gestalt von heruntergekommenen Häusern, 80% Leerstand und Gesichtern, die einen ansahen, als wäre man von einem anderen Planeten. Verständlicherweise. Seit dem Autoren des Lonely Planets wird sich hier wohl kein Tourist mehr hinverirrt haben. Zuvor vermutlich auch nicht.
Wir liehen uns Roller für erschreckend  faszinierend wenig Geld - eine sehr sinnvolle Anschaffung wie sich herausstellte, denn es gab ja fast nichts - und fuhren zum angepriesenen Campingplatz am schönsten Strand der Insel. Dies sollte sich bewahrheiten. Aber auch Tiere haben Geschmack...oder den Lonely Planet gelesen. Und da sich ja seit langer Zeit keine Touristen mehr auf die Insel verirrt haben, haben sich die Tiere zu Dauercampern entwickelt und reagierten ungehalten auf die Störung durch eine fremdartige Spezies. Dies hatte zur Folge, dass ich innerhalb 2 Minuten 25 Moskitostiche, das Zelt innerhalb kürzester Zeit tausende kleiner Raupen, unsere Füße Besuch von Ohrenkneifer-Armeen, unsere Gesichter Gesellschaft von unglaublich riesigen Spinnennetzen mit ebenso riesigen schwarz-neongelben oder springenden oder behaarten oder winzigen Bewohnern hatten. Die Toilettenräume waren von Kakerlaken, Faltern, Ameisen und ihren Freunden besiedelt und jeden Morgen spielten Milliarden von Zikaden ihren Freunden ein pompöses Konzert, das meine Trommelfelle zum Beben brachte, denn die Dezibelzahl dieses Konzerts übertraf die der Stadtstrandautobahnbaustelle um Längen. Dass uns tagsüber und nachts ununterbrochen ein ausgesetztes und hungerndes Kätzchen anmiaute und auch attackierte, nis aber auch nach dem wir ihr etwas zu Essen kauften, war dabei nur noch der Tropfen auf den heißen Stein.

Warum nur hatte ich das Hornissenspray umgetauscht?

Aber der Strand war wirklich schön. Schön und einsam. Alles in allem eine Freakinsel. Denn ich habe den ebenfalls verwaisten anderen Camingplatz vergessen zu erwähnen. Dieser schien irgendwann mal für einen großen Ansturm von Touristen ausgerichtet worden zu sein, begrüßte uns aber nur mit gespenstischer indisch-okinawischer Musikdauerbeschallung per Lautsprecher (Japan!) quer über das Gelände und freakigen halbverlassenen/halb noch in Benutzung befindlicher "Gaststätte".

Um uns endlich loszuwerden, heckten die Tiere einen teuflischen Plan mit einem ganzen Tag tropischen Dauerregen aus. Er fruchtete, wir hatten die Nase voll und schwangen uns wieder auf die Fähre zurück ins betonierte Okinawa. 
Nach einem Tag Militarybase-Watching ging es wie geplant weiter Richtung Westen auf eine Insel Namens Zamami. Und dort setzte sich endlich und augenblicklich das lang erwünschte Urlaubsgefühl bei mir ein. Zwar waren die Gebäude rund um den Hafen nicht unbedingt in einem fitteren Zustand als auf Okinoerabujima, aber die Personenanzahl, die mit uns die Fähre besuchte und verließ, war um einiges höher und nach einer Woche Zwangseinsamkeit freute ich mich über jeden einzelnen Menschen.
Und leider muss ich sagen, kann ich von der Woche auf dieser Insel nicht so viel berichten. Denn der Urlaub war so wie man sich einen richtigen Urlaub vorstellt: man schläft, man sitzt am Strand und stillt den nötigsten Hungertrieb. Wenn dann noch an ded Strand, der genau an den Campingplatz angrenzt, jeden Nachmittag kleine bis riesige Meeresschildkröten kommen, die sich von über ihnen treibenden Schnorchlern nicht im geringsten stören lassen. Und wenn sich dafür am anderen und ebenso wunderschönen Strand der Insel zwei Meter vor dem Strand direkt ein riesiges Korallenriff mit fantastischen Fischvariationen erstreckt. Wenn man dann auch noch mit Kleinbooten auf Nachbarinseln, bewohnt oder unbewohnt, mit ebenso großen Korallengärten direkt davor, fahren kann. Wenn es direkt am Campingplatz eine süße alte Dame gibt, die traditionelles Essen verkauft,  und im Ort ein schönes Café zum vor-der-Hitze-in-den-Schatten-flüchten mit den besten jemals getrunkenen Kokosshakes gibt. Wenn man abends am Lagerfeuer essen, sitzen und mit netten anderen Urlaubern quatschen kann. Dann, ja dann, kann man einfach nicht mehr wollen.
Außer.
Man könnte unter Umständen auf den Besuch einer Handtellergroßen, braunen, behaarten und mit Glitzeraugen versehenen Spinne verzichten, die am Vorabend erschrocken aus der Essenstüte schießt, in die man gerade das Besteck zurückplumpsen lassen wollte, um uns zwei Tage danach nachts im Zelt zu besuchen, dessen Eingänge man leider etwas offen lassen musste, weil man sonst vor Hitze nicht hätte schlafen können. 
Und hier schließt sich der Kreis dann auch wieder: Hätte ich nämlich nicht noch einmal das Licht anmachen müssen, weil ich das Anti-Juck-Mittel gegen die 143 Moskitostiche, die mein Körper auf Okinoerabujima abbekommen hat, zu pflegen, dann hätte ich dieses Monster nicht entdeckt. Und dann wäre es vielleicht nicht nur in der Ecke gesessen und wäre dann vor einer hysterischen Laura und einem heldenhaften Bernhard wieder geflohen, sondern hätte sich vielleicht noch zu mir auf mein Schlafgemach gekuschelt.
Dennoch: dieses kleine japanische Paradies, von dem wir nur einen kleinen Teil gesehen haben, ist schlicht und ergreifend höchst empfehlenswert.















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