Samstag, 19. Juni 2010

Hashima
















Ich hatte einen Wunsch. Der hieß: "Ich will Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel sehen". Und weil wir im Mai eine Exkursion nach Kyushu, eine der südlichen Inseln Japans gemacht haben, konnte ich mir diesen auch endlich erfüllen, indem ich mich heimlich davongestohlen habe, auf einen Bus nach Nagasaki aufgesprungen bin und mich dann in einer wilden Nacht- und Nebelaktion schwer bewaffnet und getarnt bis zu meinem Zielort durchgeschlagen habe. So oder so ähnlich. Aber nun trotzdem erstmal zurück zum Anfang. Weil was ist bitte "Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel"?

Vor langer Zeit haben mein Nachbar und ich festgestellt, dass wir beide eine gemeinsame Vorliebe haben: Verlassene Orte und ihre Geschichten
Irgendwann schickte er mir dann einen link zu einem Artikel mit einer Fotostrecke von Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel und seitdem war ich Feuer und Flamme.
Die Fotos, die mich auf den Geschmack gebracht haben, finden sich unter anderem unter diesem link
( http://dailylinked.blogspot.com/2009/01/islands-of-hashima-japan-pics.html   )Weil ich keine Ahnung von Foto- und Veröffentlichungsrechten habe, kopiere ich sie vorsichtshalber nicht hier hinein.

Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel- ich schreib das so blöd, weil ich bei diesem Trip dauernd mit folgender Konversation konfrontiert war: "ich würde gerne nach Hashima" - "wohin?" - "nach Hashima" - "ah, nach Gunkanjima" - "ja, auch gut, hauptsache ich komm da hin" Allerdings nervte das Gespräch irgendwann insofern ein wenig, dass ich ihm gerne ausgewichen wäre, indem ich sofort das Wort "Gunkanjima" verwendet hätte. Leider konnte ich es mir zu dem Zeitpunkt, trotz 100maliger Vorsagung partout nicht merken. Wie auch immer. Ab jetzt werde ich Hashima schreiben, denn so hieß sie wohl ursprünglich.

Also. Auf Hashima wurde vor allem in den 60er Jahren vom Mitsubishi Konzern beauftragt aus dem Meer heraus Kohle gefördert. Da sehr viel benötigt wurde und dort wohl auch sehr viel vorhanden war, hatte dies zur Folge, dass in der Hochphase mehrere tausend Menschen auf dieser winzigen Insel gelebt haben. Dies wiederum hatte zur Folge, dass man nicht nur durch Aufschüttungen versuchte hat, die Insel ein bisschen größer zu machen, sondern auch die ersten Stahlbetongebäude der Welt dort errichtet hat, um möglichst viele Menschen auf einmal unter zu bringen. Zeitweise galt die Insel daher auch als das Musterbeispiel für modernen japanischen Städtebau und der dichtbesiedeltste Ort der Welt. Die Wohnungen waren winzig, Privatsphäre gab es kaum, aber der Lebensstandard war - vermutlich als eine Art Ausgleich - im Vergleich zum restlichen Japan extrem hoch. Beinahe jeder hatte damals zum Beispiel schon Kühlschrank und Fernseher. Als jedoch die Nachfrage nach Kohle irgendwann sank, hat Mitsubishi beschlossen, die Kohleförderung einzustellen und mit Festanstellungen auf dem Festland geworben für alle die, die am schnellsten in Nagasaki wären. Daher haben viele Familien geradezu fluchtartig ihre Wohnungen verlassen und in genau diesem Zustand befindet sich die Insel seit den 70er Jahren. Taifune und starke Wellen taten dann den Rest um der Insel ihr momentanes Erscheinungsbild zu verleihen.
Seit, ein oder zwei Jahren hat die Stadt Nagasaki beschlossen, die Insel doch für Touristen zu öffnen. Seitdem gibt es nun geführte Touren entweder mit dem Schiff um die Insel und bei gutem Wetter auf die Insel. Dass so einer Tour der nötige Abenteuercharakter fehlt, der so einen Ort so interessant macht, war mir zwar klar. Aber da ich schlecht mit brockenhaftem Japanisch einen ortsansässigen Fischer bestechen kann, mich in einer Nacht- und Nebelaktion auf die Insel zu bringen ("biete deutsche Wurst gegen Gesetzesbruch"-zugegebenermaßen ein etwas ungleicher Deal), musste ich mich wohl oder übel fügen und sah mich also mit 100 Japanern und keinem einzigen weiteren Ausländer auf einem Schiff, von dem stundenlange, schrille und viel zu laute Durchsagen über die Insel, über das, was wir auf der Insel nicht dürfen und überhaupt, was man sowieso und eh nicht tun darf aus einem schnatternden Lautsprecher direkt in mein linkes Ohr schallte. Aber als dann dieses kaputte Kriegsschiff dennoch majestätisch und so heiß erwartet aus dem Meer aufragte, war all der Ärger über schrille Ansagen vergessen...
...bis wir  bunte Kärtchen um den Hals gehängt bekamen, die uns in Gruppen aufteilten und auf einen feinsäuberlich neu betonierten Steg getrieben wurden, der von blinkenden, neuen Stahlgeländern umgeben war. Dann wurden wir in den Gruppen zusammengestellt und ein älterer Mann erzählte wieder irgendetwas durch ein schnatterndes Mikrofon wobei er Din A4 große in Plastikhüllen eingepackte Zeitungsausschnitte von früher zeigte. Sehen konnte ich das nur, weil ich mich doch irgendwann mal etwas nach vorne gedrängelt habe. Diese Prozedur passierte an drei Stellen eines ungefähr 100m langen Betonpfades, der von Schutt umgeben war, aber von den wirklich interessanten Gebäuden leider viel zu weit entfernt war.
Und dann ging's wieder zurück auf's Schiff.
Ich muss sagen, mein Abenteurerherz blutete da schon ein wenig. Und wenn ich mich nicht auf dem schnellsten Weg wieder zurück nach Tokyo hätte machen müssen, hätte ich ernsthaft doch noch einmal über die Bestechung eines Fischers mit Wurst nachgedacht.
So habe ich mich aber ein wenig enttäuscht, aber trotzdem mit Herzklopfen, weil ich endlich diesen faszinierenden Flecken Erde live gesehen habe, wieder auf den Heimweg gemacht.

Die Fotos, die ich bei der Umrundung mit dem Schiff und beim 15 minütigen Spaziergang machen konnte, füge ich hier ein. Aber ich kann wirklich nur empfehlen entweder auf die links hier zu klicken oder mal nach Hashima zu googeln. Denn es gab schon beneidenswerte Menschen, die in die Gebäude (trotz mehr als lebensbedrohlicher Lebensgefahr weil wegen lebensbedrohlicher Einsturzgefahr - laut Nagasaki) und so dort wunderschön gruselige faszinierende Fotos schießen konnten.

http://www.youtube.com/watch?v=fp97FUlSdqI
http://www.youtube.com/watch?v=fp97FUlSdqI&feature=related
http://de.wikipedia.org/wiki/Hashima_%28Insel%29


































































Aber sollte ich doch noch einmal nach Nagasaki kommen, werde ich auf jeden Fall - nur vorsichtshalber - viel Wurst mitnehmen. Man darf nie aufgeben.....

2 Kommentare:

  1. geil! da will ich auch hin. wahnsinn. leider funktionieren die youtube links nicht. aber hast du da schonmal geschaut: http://www.ne.jp/asahi/saiga/yuji/gallary/menu-e.html

    liebste grüße
    hannah

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  2. Schade und komisch. Aber ich hab auch einfach nur Hashima eingegeben. Unter anderem kam dann ein Bericht im Weltspiegel, glaub ich.
    Aber dein link ist der Wahnsinn. Kannte ich noch nicht und macht mich mal wieder ein wenig traurig, dass man als Normalo nicht in die Gebäude bzw. die Teile der Insel darf, die wirklich interessant sind. hmmmmmm....

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