Donnerstag, 8. April 2010

Hanami


Endlich Frühling! Endlich Kirschblüte! Endlich Hanami!

Darauf hat sich Japan ein ganzes Jahr gefreut. Wenn ich jetzt noch „Endlich Sonne!“ schreiben könnte, wäre der japanische Frühling wohl perfekt. Leider spielt der uns aber dieses Jahr einen Streich und bescherte bisher vielleicht zwei Sonnentage und ansonsten Kälte wie im Winter und viel, viel Regen.

Da die Japaner ihre Kirschblüte aber verehren wie nichts Anderes, lassen sie sich auch von schlechtesten Bedingungen nicht davon abhalten, die heißgeliebten weiß-rosa Blüten zu verehren und zu feiern. Und so wurde schon vor Wochen ALLES auf die Sakura-Saison vorbereitet: Schaufensterdekorationen änderten sich in Blütenmeere, die typischen omiyage (Süßigkeiten/Mitbringsel) waren plötzlich alle rosa oder weiß, an die Straßenlaternen wurden Plastikkirschblüten gehängt und sogar „Starbucks“ änderte sein Sondersortiment: Man kann jetzt rosa/weißes Sakurahotfrapuccinolattecoffeeicedchaimocha (oder so ähnlich) in zwei Varianten kaufen und auch die dort verkauften Bodum-Kannen zum Tee zubereiten sind gerade rosa und nicht schwarz.

Und weil ich so schnell nicht mehr im Frühling nach Japan kommen werde und dieses Spektakel wirklich sehenswert ist, stürzte auch ich mich am Sonntag bei eisigen 9°C in die Menge.
Ich fuhr mit meinem Nachbar mit dem Fahrrad zum Yoyogi-Park, um dort Freunde von ihm zu treffen. Mit dem Fahrrad zu fahren, war eine sehr weise Entscheidung, denn schon kurz vor dem Yoyogi-Park waren die Straßen plötzlich wesentlich voller, Polizeiautos plärrten aus ihren Lautsprechern, dass man sich bitte links halten solle, weil es doch so voll sei. Die Ausländer-/Touristendichte stieg schlagartig an. Die zwei Ausgänge der Bahnstation waren so voll, dass wir mit unseren Rädern fast nicht durchkamen. An den jeweiligen Fußgängerübergängen standen jeweils vier Polizisten, die die Fußgänger schnell noch über die Straße scheuchten wenn die Ampel für die Autofahrer auf grün schaltete, damit der Verkehr einigermaßen normal fließen konnte.
Vom Park her schallte schon eine Mischung aus vielen feiernden Menschen gemischt mit unerwartet lauter Musik. Die üblichen Fressbuden verteilten den üblich guten bis widerlichen Geruch, die Müllberge stapelten sich vor den Eingängen zum Park und die Menschenmassen drängten sich hinein. Bisher war noch kein wirklich großer blühender Baum zu sehen. Aber das ist den Japanern egal. Zur Hanami-Zeit schart man sich auch um ein Ginstergestrüpp um feiern zu können.

Im Park selbst war so gut wie jede Grünfläche mit blauen Planen bedeckt, die wiederum mit Menschen und Essen bedeckt waren. Ich finde es hierbei mal wieder sehr faszinierend, dass wirklich 95% dieser Millionen Menschen im Park die gleichen blauen Plastikplanen benutzen.
Das Nette daran ist, dass wohl viele diese blauen Planen nach der letzten Park-Party zurücklassen, so dass sich die Obdachlosen diese nehmen können um damit entweder ihr Hab und Gut auf kleinen Karren zu bedecken oder sich daraus Zelte in den Parks zu bauen. Was man hier leider sehr viel sieht. Allgemein ist die Anzahl der Obdachlosen unglaublich angestiegen im Vergleich zu den letzten Jahren, die ich hier war. Die Wirtschaftskrise wird einem in Tokyo, der Hauptstadt eines Landes, das sich über Arbeiten definiert und vom Konsum lebt, durch die Obdachlosen wirklich knallhart verdeutlicht. Aber ich will hier nicht abdriften. Das ist ein Thema für sich, wenn auch ein wirklich interessantes, schockierendes und rührendes zugleich.

Wir gesellten uns also auf die Plane der Freunde meines Nachbars – vorher zogen wir uns natürlich die Schuhe aus, denn das macht man so – und versuchten zu verdrängen, dass es unglaublich kalt war. Unglaublich kalt! Vor allem natürlich an den Füßen. Und das war auch genau der Grund, warum ich es nicht wirklich lange ausgehalten habe und auch nicht wirklich viele Fotos gemacht habe. Es war einfach zu unangenehm. Da die meisten Japaner dieses Ereignis aber nützen um sich ab morgens um 9Uhr (Denn da muss man kommen um die besten Plätze ergattern zu können. Was bedeutet, dass die Firmen-Neulinge sich genau um diese Zeit in den Parks einfinden müssen, um die Plätze für das Firmen-Hanami am Abend zu besetzen!) auf ihren blauen Planen zu betrinken und eine riesige Party zu feiern, hatten sich diese wohl schon von innen zu Genüge mit Alkohol gewärmt und die Kälte offensichtlich nicht so wahrgenommen wie ich: sie tanzten, spielten Federball, Fußball, lachten und schrien ausgelassen, veranstalteten kleine Theateraufführungen und so weiter und so weiter. Kurz gesagt: sie waren einfach so wie sie sind und durften es auch sein…also so, wie sie es wahrscheinlich niemals sonst an einem Sonntag im Park sein würden. Ein bisschen schade, eigentlich.

 

Mir fällt gerade auf, dass ich kein einziges Foto von Blüten gemacht habe. Vielleicht hole ich das dieses Wochenende nach und fotografiere halbverblühte Blüten?!

3 Kommentare:

  1. die bilder wären nur halb so schön, wenn die zartrosa blüten im hintergrund nicht zu sehen werde. du musst dich also nicht wieder in die vollgepressten parks, mit müllbergen und schuhkrawanen vor blauen platsikdecken, quetschen und quälen, damit wir in europa (übrigens: sonne!) die blüten sehen können. man erkennt sie auch in vollster pracht auf den aktuellen bildern. nicht, dass du nachher krank wirst aufgrund dieser kälte.... kind! das wäre nicht gut, neenee.

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  2. Siehste, und jetzt hab ich's doch gemacht. Und bin zum Glück gesund geblieben, weil's mal endlich warm war (was es jetzt schon wieder nicht mehr ist. Hach, der Frühling ist wirklich die schönste Jahreszeit in Japan)

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  3. ui, ich muss sagen die blütenbilder, vor allem von dem blütenschnee, sind wunderschön. hat sich doch gelohnt noch mal reinzuschauen ;))

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