Mittwoch, 17. März 2010

Erst wackeln die Knie, dann die Erde

Das vergangene Wochenende war ein Schönes. Vor allem war es das erste, an das ich mich erinnern kann, das offiziell lernfrei war, da wir am Freitag den großen Unittest ::junitotesto:: (es gibt noch den etwas kleinen Parttest ::paatotesto:: und die täglichen Vokabel- ::kotobatesto:: und Kanjitests ::kanjitesto:: Unsere Schule liebt Tests und denkt tatsächlich dies sei ein Grund sich als die beste Japanischschule Japans bezeichnen zu dürfen) geschrieben und am Montag ein neues Buch angefangen haben.
Dieses befreite Gefühl wurde perfektioniert durch durchwegs strahlenden Sonnenschein und warme Temperaturen, was gleichzeitig bedeutete, dass es auch innerhalb der Wohnung endlich angenehm warm war und ich mich endlich mal wieder mit nur einer Kleidungsschicht darin aufhalten konnte. Was für ein ungewohntes Gefühl!
Nach Früstück im Bett, lesen, emails schreiben und NICHT lernen, bin ich mit Jiré (meiner Klassenkameradin; bis vor kurzem saßen wir noch nebeneinander, doch dann wurden wir auf japanische Art und Weise getrennt, weil wir zu viel Deutsch geredet haben. Leider haben wir uns tatsächlich meistens Unverstandenes erklärt...naja...) zu einer Ballettaufführung am anderen Ende Tokyos gefahren, habe die genossen, habe mich über coole, alternative, weil Künstler-Japaner gefreut und habe auf dem Heimweg mal kurz emails gecheckt um eine Zusage von einem wirklich netten Büro lesen zu können. Juhu.
Diese in der Hinterhand bin ich am Sonntag (nach einem ebenso schönen und gemütlichen Morgen OHNE lernen) Nachmittags zu einer Veranstaltung gefahren, von der keiner so genau wusste, was sie eigentlich ist.

Wie es dazu kam und was die Veranstaltung dann schlussendlich war, kommt jetzt:

Vor Kurzem habe ich mal wieder mit Hiro Kontakt aufgenommen, weil ich wusste, dass Hiro ein Stresser ist und 100%ig mit mir nur auf Japanisch reden wird und diese Übung brauche ich dringend. Da aber Hiro aber nicht nur Stresser sondern auch Geschäftsmann ist, schrieb er gleich in seiner Antwort: "komm doch in mein Büro und dann stell ich zwei 3d-Designern vor, die arbeiten für die ganzen großen Innenarchitekturbüros."
So kam es dann auch. Nach einem kurzem Besuch in Hiros hässlichem und neonlichterhelltem Büro ging's einen Stock höher und somit in eine andere Welt. Die Tür wurde  von einem Altrocker mit Sonnenbrille und Heavy Metal Tshirt geöffnet, der mir nach 5 Sekunden ein Bier in die Hand gedrückt hat, weil ich bin ja deutsch und Deutsche trinken immer Bier. Das Büroprobenraumbürostudio hätte man so nehmen und nach Berlin stecken können, was mich gleich heimelig hat fühlen lassen. In der Anzahl deutlich höher als Computer und ähnliches arbeitstypisches Gerät waren Gitarren, Mikrofone, Verstärker usw.
Der eine Altrocker wurde durch einen weiteren Altrocker und noch einen Altrocker-ählichen Freund ergänzt. Alle saßen um einen Tisch und haben Bier und irgendwann Whiskey getrunken (Montag Nachmittag 17:30) und sich schlapp gelacht über die kleine Deutsche, die nichts verstanden hat. Ein Beamer beamte irgendwas an die Wand - kurze Zeit später beamte er mein portfolio in Überdimension an die Wand,was mich ein wenig peinlich berührt sein ließ...vor allem aber auch weil ich hilflos versucht habe mit meinen paar Brocken Japanisch meine Arbeiten zu erklären. Da wusste ich aber nicht, dass dies noch ein wenig später getoppt werden würde und zwar dergestalt, dass Altrocker1 eine der riesen Kameras zückte, um mich zu fotografieren und mit typischen Fotografensprüchen anfeuerte. Das fand Altrocker2 so lustig, dass er sich Riesenkamera2 schnappte, um die Situation zu filmen. Der Freund der Altrocker schnappte sich nach den Worten "du bist doch Lichtdesigner, mach mal besseres Licht" eine Leiter und versetze die Strahler, um alle auf mich zu richten, zog die Yukapalme in den Hintergrund und schnappte sich schließlich noch eine weiße Pappe um die auf den schwarzen und so nicht gut reflektierenden Tisch zu legen. Danach filmte nicht nur mehr Altrocker2, sondern auch der Freund der Altrocker und Hiro. Ich mittendrin war mittlerweile zur Tomate mutiert. 

Von dieser Peinlichkeit mal abgesehen waren die Altrocker und der Freund der Altrocker aber wirklich sehr süß und lustig, haben brav mein portfolio gelobt und gesagt, es wäre weit über dem Niveau ihrer Studenten (solche Komplimente bekommt man natürlich gerne) und sie würden das so an die beiden Topbüros (also für mich) weitergeben und mich vorstellen, wenn ich das wolle. JUHU. 

An diesem Abend wurde ich auch auf die Veranstaltung eingeladen, von der keiner wusste, was sie eigentlich ist.

Es stellte sich schließlich als Präsentation unter Freunden. heraus. Ca 30 Leute -Architekten, Designer usw.- saßen im Büroprobenraumstudio und guckten auf die Wand, die wieder der Beamer erhellte. Alles viel förmlicher und offizieller als ich es erwartet hatte. Ich fing also gerade an, mich wohl zu fühlen, als Altrocker 2 zu mir kam und sagte: "raura san, ato de, ne? chiotto ne? onegaishimasu." In ausführlichem Deutsch heißt das so viel wie: "Nach dieser Präsentation wäre es toll, wenn du dein portfolio präsentieren könntest, bitteeee" Jiré bekam einen Lach- und ich einen Panikanfall. Aber ich konnte mich nicht wehren (mangelnde Sprachfähigkeit) und fand mich daher kurze Zeit später vor einer Menge Japanern wieder, die mich gespannt ansahen und die ich geschockt zurück ansah. Altrocker 2 kündigte mich an, als eine junge deutsche Designerin, die gerade ein Praktikum in Tokyo sucht. Dann wurde mir schnell noch jemand zur Seite gestellt, der angeblich gut Englisch und somit übersetzen könnte. Der meinte aber leider sogleich: "Ich habe seit 2 Jahren kein Englisch mehr gesprochen, ich weiß gar nicht mehr, wie das geht"...und genauso wurde auch die Präsentation. Ich stopselte in schlechtem Japanisch und er in schlechtem Englisch. 
Da ich aber aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und Spontaneität nur die Wahl zwischen "es wird scheiße" oder "es wird total scheiße" hatte, waren meine Ansprüche an mich nicht ganz so hoch. Und wahrscheinlich war es auch ganz ok so wie es war. Wenn auch peinlich. Auf jeden Fall gut, dass ich mein Diplompräsentationsbewährtes und mit seiner Aufschrift zu allen offiziellen Anlässen passendes "old fart"-Tshirt anhatte....nur leider habe ich die schreckliche Angewohnheit, mir dessen Ärmel aus Nervositätsgründen prollig nach oben zu schieben und meine fleischigen Oberarme zu zeigen.

Als ich kurze Zeit später noch immer mit etwas wackligen Knien wieder unauffällig an an der Seite stand, fing plötzlich das Bild des Beamers an zu schwanken und das wacklige Gefühl in meinen Beinen wurde irgendwie immer stärker. Erst als es noch stärker wurde und nicht aufhörte und deshalb langsam ein Raunen unter den Anwesenden aufkam, kapierte ich, dass es sich gerade um ein ziemlich starkes Erdbeben handeln musste. Langsam finde ich es echt etwas beunruhigend. Ich habe seit ich hier bin schon ziemlich viele miterleben müssen. Nie stark, aber trotzdem ist es immer unangenehm! Mein Übersetzer meinte später wir sollten uns doch einfach vorstellen wir würden surfen, denn viel anders fühle sich das ja auch nicht an, dann könnten wir vielleicht besser damit umgehen. Naja. ich werd's mal versuchen.




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