Dienstag, 17. August 2010

Ballermann

"In Japan sind alle Menschen gut angezogen."
"Japaner haben ein unglaublich gutes Gespür für Mode."
"In Japan scheint es irgendwie keine Assis zu geben, nicht so wie in Deutschland."
"Japan ist total sauber und aufgeräumt"

Diese Sätze haben durchaus ihre Richtigkeit. Und ich kann gut verstehen, dass die meisten Besucher diese Aussagen tätigen. Und zugegebenermaßen tue ich das ja auch.

Oder soll ich besser sagen: "Ich TAT"....
Samstag Nachmittag hat sich mein Bild nämlich ein wenig verschoben, da ich schlagartig und mit unnachgiebiger Härte vom Gegenteil überzeugt wurde. Obwohl ich das gar nicht wollte. Eigentlich wollte ich doch nur Richtung Meer fahren. Nach Enoshima. Dort in eine kleine Ausstellung (von Pangea Seed, einer kleinen Organisation, die sich gegen das grausame Fangen und Abschlachten von Haien für den Gewinn ihrer Flossen  einsetzt und dieses Thema jungen Leuten durch Kunst nahe zu bringen versucht http://www.pangeaseed.com/pangea/English/Entries/2009/7/30_No_Fin_No_Future_Art_Contributions_Cont..html) gehen und danach einmal kurz ins erfrischende Nass springen.
Doch dazu kam es leider nie - mich hinderte eine Schockstarre, die mich in der Sekunde erfasste, in der ich den Strand betrat. Ich fühlte mich umgehend an eine Situation vor einigen Jahren erinnert: Ich machte mit meiner Freundin einen wunderschönen Urlaub auf Mallorca. Nach einem Ausflug nach Palma beschlossen wir, dass wir ja doch irgendwie wenigstens mal den Ballermann gesehen haben sollten, wenn wir doch schon so oft auf Mallorca waren, weil irgendwie gehört es doch dazu. Wir bogen also mit dem Auto in die Ballermanngegend ein und schafften es keine zwei Blocks weit. Denn wir rutschten vor Schrecken, Fremdscham und einigen weiteren unangenehmen Gefühlszuständen auf den Sitzen unseres mit deutschem Kennzeichen versehenen und somit unsere Zugehörigigkeit zu diesem dort sein Unheil treibenden Volkes zeigenden Autos immer tiefer, was das Navigieren durch die von johlenden und schwankenden, sowie sonnenverbrannten Menschen gesäumten Straßen doch erheblich erschwerte.
Wir bogen daher sobald es möglich war wieder Richtung "bloß raus hier" ab, hielten am Straßenrand an, schnauften erst einmal tief durch und versuchten das gerade Gesehene zu verarbeiten. Dieser Zustand sollte bis zum nächsten Morgen anhalten. Ich schlief schlecht in dieser Nacht.

Dieser Vorgang wiederholte sich nun also diesen Samstag am Strand von Enoshima, weit weg von Mallorca. Dass dort für zwei Monate im Jahr temporäre Holzbuden am Strand errichtet werden, finde ich sehr cool. Dass diese aber natürlich zur extremen Aufnahme von Alkohol dienen, hätte ich mir eigentlich denken können - dies scheint ja international und überall beliebt zu sein. Dass dort laute, scheppernde und veraltete Technomusik gespielt wird, zu der betrunkene Menschen immer den Blick auf den DJ gerichtet und vollkommen außerhalb des Taktes wackeln und zappeln, hätte ich mir ebenso denken können - denn das ist normal in Japan.
Aber leider habe ich es mir nicht gedacht und deshalb: Schock!

So viele schlecht gemachte Haarverlängerungen, misslungene Blondierungen (Ergebnis: graues Stroh), überschminkte Gesichter, rotverbrannte Haut und grauenerregende Pseudoghettomode habe ich lange nicht auf einem Haufen gesehen und ich wohne in Tokyo, hier muss man sich eher die Frage stellen, wer keine Haarverlängerung hat.
Des weiteren ist trotz "Tätowierungen sind ein Zeichen der Mafia und somit gar nicht gern gesehen" ein Trend zu großflächigen Angebertattoos bei Männern und ein "Bikinis, die so aussehen als würde man einen String nochmal druntertragen und wenn man dann eine Hose drüberzieht, dann schaut das so aus als würde ich nur einen String drunter tragen und wenn ich aber diese Hose drüberziehe, dann muss ich den obersten Knopf offenlassen, das ist nämlich voll sexy"-Trend bei Frauen zu beobachten. Und natürlich auch ein Trend, der mit Saufen zu tun hat. Dieser Trend lautet: "ich bin so besoffen und ferner liefen, dass ich, wie ich so in meinem Delirium auf meiner Plastikplane zwischen Müll liege, gar nicht mehr merke, wie die Flut kommt und den Müll, aber auch alle anderen Sachen und auch mich so langsam an- und wegspült".

Aber sehet selbst.
















































 
















































































































Die Fotos habe ich übrigens Bernhard zu verdanken. Der befand sich zum Glück nicht in Schockstarre. Der hat die ganze Zeit nur gekichert.

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