Sonntag, 27. Juni 2010

Dumm

Hier eine kleine Anekdote aus dem Bereich "Peinlichkeiten des Alltags":
Letzte Woche gingen wir in einen Outdoorladen, um nicht nur Outdoorprodukte zu kaufen sondern auch ein Mittel gegen Insekten. Japanisches Autan. Oder so.
Neben dem Aufzug auf dem Weg nach unten erblickten wir ein Regal mit ebensolchen Produkten. Es gab da eine große Spraydose in schwarz-gelb mit roten Deckel und Insekt drauf sowie aggressiver Bedruckung, eine kleine Spraydose in weiß mit einer niedlichen Comicstechmücke und eine noch kleinere weiße Spraydose mit blauer Aufschrift, die folgendes Kanji: 虫 zeigte, was im Übrigen Insekt heißt und das wiederum heißt "mushi" (jetzt dürfen alle kurz lachen).

Ich -bereits nicht unerheblich zerstochen und mit angestautem Ärger gegen japanische Stechmücken in Urteilsfhähigkeit und einigem mehr eingeschränkt- und mein Begleiter -nicht zerstochen, aber der japanischen Schriftsprache nicht mächtig und daher mir die Entscheidung überlassend- griffen zur GRÖßTEN und AGRESSIVSTEN wirkenden Dose. Mehr und viel und fies ist am besten gegen dieses Tier. Wir zahlten nicht wenig, weil hier ja selten etwas wenig kostet und verließen mit stolz geschwellter Brust weil den ersten Sieg im Kampf gegen die japanischeS Stechmücke im Allgemeinen und Besonderen witternd, das Geschäft.

Zu Hause nahm ich das Kampfgerät noch einmal in Augenschein. Ich muss zugeben, nur weil ich wissen wollte, wie das Mittel gegen dieses widerliche Tier in diesem Land wohl riechen mag.....da kam mir das schwarz-gelb gestreifte Design zum ersten Mal ein wenig komisch vor. Ich nahm mir also mein elektronisches Übersetzungsgerät zu Hilfe und gab mal die groß leuchtende, agressive weiß-rot gedruckte Überschrift ein.
Das elektronische Übersetzungsgerät zeigte mir folgendes:

スズメバチ - Hornisse

Plötzlich machte das scharz-gelb-gestreifte Design der Dose ziemlichen Sinn. Plötzlich auch die zahlreichen "Achtung", "gefährlich" usw. Aufschriften. Auch das abgedruckte Tier hatte plötzlich keinerlei Ähnlichkeit mehr mit einer Stechmücke, dafür aber sehr große mit einer Hornisse. Plötzlich fiel mir auch das gar nicht so selten abgedruckte Kanji für "töten" auf. Und die Aufschrift, die "3m" beinhaltete, machte auch Sinn. Sie sagte nämlich: "sprüht mit großer Kraft bis zu 3m".

Heute haben wir die Dose gegen die mit der niedlichen Comicstechmücke umgetauscht. Und ich bin froh, dass wir nicht versucht haben, uns mit einem Spray zu besprühen, das mit großer Kraft in bis zu 3m Entfernung töten kann.


Samstag, 19. Juni 2010

Hashima
















Ich hatte einen Wunsch. Der hieß: "Ich will Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel sehen". Und weil wir im Mai eine Exkursion nach Kyushu, eine der südlichen Inseln Japans gemacht haben, konnte ich mir diesen auch endlich erfüllen, indem ich mich heimlich davongestohlen habe, auf einen Bus nach Nagasaki aufgesprungen bin und mich dann in einer wilden Nacht- und Nebelaktion schwer bewaffnet und getarnt bis zu meinem Zielort durchgeschlagen habe. So oder so ähnlich. Aber nun trotzdem erstmal zurück zum Anfang. Weil was ist bitte "Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel"?

Vor langer Zeit haben mein Nachbar und ich festgestellt, dass wir beide eine gemeinsame Vorliebe haben: Verlassene Orte und ihre Geschichten
Irgendwann schickte er mir dann einen link zu einem Artikel mit einer Fotostrecke von Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel und seitdem war ich Feuer und Flamme.
Die Fotos, die mich auf den Geschmack gebracht haben, finden sich unter anderem unter diesem link
( http://dailylinked.blogspot.com/2009/01/islands-of-hashima-japan-pics.html   )Weil ich keine Ahnung von Foto- und Veröffentlichungsrechten habe, kopiere ich sie vorsichtshalber nicht hier hinein.

Hashima/Gunkanjima/die Schlachtschiffinsel- ich schreib das so blöd, weil ich bei diesem Trip dauernd mit folgender Konversation konfrontiert war: "ich würde gerne nach Hashima" - "wohin?" - "nach Hashima" - "ah, nach Gunkanjima" - "ja, auch gut, hauptsache ich komm da hin" Allerdings nervte das Gespräch irgendwann insofern ein wenig, dass ich ihm gerne ausgewichen wäre, indem ich sofort das Wort "Gunkanjima" verwendet hätte. Leider konnte ich es mir zu dem Zeitpunkt, trotz 100maliger Vorsagung partout nicht merken. Wie auch immer. Ab jetzt werde ich Hashima schreiben, denn so hieß sie wohl ursprünglich.

Also. Auf Hashima wurde vor allem in den 60er Jahren vom Mitsubishi Konzern beauftragt aus dem Meer heraus Kohle gefördert. Da sehr viel benötigt wurde und dort wohl auch sehr viel vorhanden war, hatte dies zur Folge, dass in der Hochphase mehrere tausend Menschen auf dieser winzigen Insel gelebt haben. Dies wiederum hatte zur Folge, dass man nicht nur durch Aufschüttungen versuchte hat, die Insel ein bisschen größer zu machen, sondern auch die ersten Stahlbetongebäude der Welt dort errichtet hat, um möglichst viele Menschen auf einmal unter zu bringen. Zeitweise galt die Insel daher auch als das Musterbeispiel für modernen japanischen Städtebau und der dichtbesiedeltste Ort der Welt. Die Wohnungen waren winzig, Privatsphäre gab es kaum, aber der Lebensstandard war - vermutlich als eine Art Ausgleich - im Vergleich zum restlichen Japan extrem hoch. Beinahe jeder hatte damals zum Beispiel schon Kühlschrank und Fernseher. Als jedoch die Nachfrage nach Kohle irgendwann sank, hat Mitsubishi beschlossen, die Kohleförderung einzustellen und mit Festanstellungen auf dem Festland geworben für alle die, die am schnellsten in Nagasaki wären. Daher haben viele Familien geradezu fluchtartig ihre Wohnungen verlassen und in genau diesem Zustand befindet sich die Insel seit den 70er Jahren. Taifune und starke Wellen taten dann den Rest um der Insel ihr momentanes Erscheinungsbild zu verleihen.
Seit, ein oder zwei Jahren hat die Stadt Nagasaki beschlossen, die Insel doch für Touristen zu öffnen. Seitdem gibt es nun geführte Touren entweder mit dem Schiff um die Insel und bei gutem Wetter auf die Insel. Dass so einer Tour der nötige Abenteuercharakter fehlt, der so einen Ort so interessant macht, war mir zwar klar. Aber da ich schlecht mit brockenhaftem Japanisch einen ortsansässigen Fischer bestechen kann, mich in einer Nacht- und Nebelaktion auf die Insel zu bringen ("biete deutsche Wurst gegen Gesetzesbruch"-zugegebenermaßen ein etwas ungleicher Deal), musste ich mich wohl oder übel fügen und sah mich also mit 100 Japanern und keinem einzigen weiteren Ausländer auf einem Schiff, von dem stundenlange, schrille und viel zu laute Durchsagen über die Insel, über das, was wir auf der Insel nicht dürfen und überhaupt, was man sowieso und eh nicht tun darf aus einem schnatternden Lautsprecher direkt in mein linkes Ohr schallte. Aber als dann dieses kaputte Kriegsschiff dennoch majestätisch und so heiß erwartet aus dem Meer aufragte, war all der Ärger über schrille Ansagen vergessen...
...bis wir  bunte Kärtchen um den Hals gehängt bekamen, die uns in Gruppen aufteilten und auf einen feinsäuberlich neu betonierten Steg getrieben wurden, der von blinkenden, neuen Stahlgeländern umgeben war. Dann wurden wir in den Gruppen zusammengestellt und ein älterer Mann erzählte wieder irgendetwas durch ein schnatterndes Mikrofon wobei er Din A4 große in Plastikhüllen eingepackte Zeitungsausschnitte von früher zeigte. Sehen konnte ich das nur, weil ich mich doch irgendwann mal etwas nach vorne gedrängelt habe. Diese Prozedur passierte an drei Stellen eines ungefähr 100m langen Betonpfades, der von Schutt umgeben war, aber von den wirklich interessanten Gebäuden leider viel zu weit entfernt war.
Und dann ging's wieder zurück auf's Schiff.
Ich muss sagen, mein Abenteurerherz blutete da schon ein wenig. Und wenn ich mich nicht auf dem schnellsten Weg wieder zurück nach Tokyo hätte machen müssen, hätte ich ernsthaft doch noch einmal über die Bestechung eines Fischers mit Wurst nachgedacht.
So habe ich mich aber ein wenig enttäuscht, aber trotzdem mit Herzklopfen, weil ich endlich diesen faszinierenden Flecken Erde live gesehen habe, wieder auf den Heimweg gemacht.

Die Fotos, die ich bei der Umrundung mit dem Schiff und beim 15 minütigen Spaziergang machen konnte, füge ich hier ein. Aber ich kann wirklich nur empfehlen entweder auf die links hier zu klicken oder mal nach Hashima zu googeln. Denn es gab schon beneidenswerte Menschen, die in die Gebäude (trotz mehr als lebensbedrohlicher Lebensgefahr weil wegen lebensbedrohlicher Einsturzgefahr - laut Nagasaki) und so dort wunderschön gruselige faszinierende Fotos schießen konnten.

http://www.youtube.com/watch?v=fp97FUlSdqI
http://www.youtube.com/watch?v=fp97FUlSdqI&feature=related
http://de.wikipedia.org/wiki/Hashima_%28Insel%29


































































Aber sollte ich doch noch einmal nach Nagasaki kommen, werde ich auf jeden Fall - nur vorsichtshalber - viel Wurst mitnehmen. Man darf nie aufgeben.....

Montag, 14. Juni 2010

Hong Kong





















Lange habe ich nicht geschrieben. Viel ist passiert. Ein Zusammenhang ist hierbei nicht ausgeschlossen oder sogar sehr gut möglich.

Eine Sache unter den Viel-Passierten ist ein Kurztrip nach Hong Kong. Für mich das erste asiatische Land außer Japan. Und obwohl es nicht wirklich weit entfernt ist, war es sehr aufregend anders. Vor allem aber war es aufregend zu bemerken, wie stark ich schon durch meine lange Zeit in Japan beeinflusst bin. Positiv wie negativ gesehen.Positiv ist mir hierbei einmal mehr bewusst geworden, wie unfassbar sauber Tokyo in Anbetracht seiner Größe und Bewohnerzahl ist. Und das überall. Und das manchmal sogar fast schon steril. Manchmal ist das schade, aber oft natürlich auch sehr angenehm.

Hong Kong dagegen ist nicht so sauber und somit eine sehr wilde Mischung von arm und reich, dreckig, stinkig, laut, Käfigwohntürmen, unfassbarem Smog, regem Handel auf dem Meer, Europa und Asien und blitzsauber, wunderschön durchdesignt und Ruhe pur mitten in der Natur, die sich urplötzlich in Form eines undurchdringlichen Urwaldes direkt hinter der Stadt auftut. Überhaupt bahnt sich die Natur überall ein bisschen ihren Weg. Zwischen, mitten, in, auf, vor und an den Fassaden der Käfigwohntürme finden sich Pflanzen oder wachsen kleine Bäume.

In Tokyo findet dies auch statt, aber wesentlich geregelter. Natürlich. Tokyo ist ja Japan. Dass die Pflanzen nicht von uniformierten, Leuchtstabbewaffneten Aufpasserwinkern an ihren Wachsplatz eingewiesen werden, wundert mich sogar ein bisschen.


In der Ubahn wird geredet, Leute fassen sich an, kleinere und größere Gruppen unterhalten sich laut und lachen egal wo, egal zu welcher Tageszeit auch ohne Alkoholeinfluss. Komischerweise schreien sie sich oft an. Manchmal hatte ich das Gefühl, Hong Kong-Chinesen unterhalten sich am liebsten über weite Entfernungen, weil sie dann schreien können. Wenn man also einen schreienden Chinesen sieht, kann man sich fast sicher sein, dass der Schrei(-Gesprächs-)partner die am weitesten entfernte Person ist.

Das ist in Tokyo anders. Da wird natürlich nicht geschrien. Allerdings quäkt man da wie ein Hundespielzeug, auf das man versehentlich drauf getreten ist. Ob das so viel besser ist, weiß ich nicht.

Die Menschen auf der Straße nehmen sich gegenseitig wahr und lachen sich an, auch bei kleineren Zusammenstößen und Anrempelungen.
In Tokyo fast undenkbar. Wenn man jemanden anrempelt, muss man den Kopf senken und den Schritt beschleunigen, sonst könnte derjenige ja merken, dass man der war, der ihn angerempelt hat.

An das alles und natürlich an die Freude am Schreien musste ich mich erstmal (wieder) gewöhnen so lange habe ich es nicht mehr mitbekommen. Anfangs empfand ich es sogar als störend, obwohl es doch eigentlich ganz normal ist, vom Schreien mal abgesehen.

Für mich war die Stadt aber vor allem durch ihre europäisch-chinesische-Geschichte sehr spannend, in Hong Kong der englische Einfluss - in Macau der portugiesische. Mitten im tiefsten Asien. Am faszinierendsten, gleichzeitig aber auch am schockierendsten waren die Käfigwohntürme, die für noch höhere Mieten als in Tokyo noch weniger Wohnqualität bieten. Sie haben mich ständig wie in einem Endzeitfilm fühlen lassen. Vor allem nachts wenn sie die Neonlichter aus den Wohnungen partiell in schummriges, unheimliches Licht tauchen. Die Stimmung und das Aussehen dieser Häuser lassen einen fühlen wie im Ghetto und denken, dass bestimmt wilde Geldwäsche-, Prostitutions- oder Drogengeschichten hinter den Fenstern von statten gehen. In Realtität sitzt aber wahrscheinlich einfach nur eine kleine Familie um den Tisch und isst Reis. Schon sehr befremdlich.



























Aber positiv faszinierend waren das satte Grün der mächtigen Natur und die Nähe des Meeres, auf dem zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Gewusel an verschieden großen Schiffen einem den weltweiten Handel und somit das Zusammenrücken unserer Welt deutlich macht. Wenn man dann abends am Hafen sitzt und die Lichtshow der Hochhäuser auf der gegenüberliegenden Seite betrachtet während vor einem alte, ebenfalls wunderschön beleuchtete chinesische Schiffe vorbeifahren, kann man schon sehr sentimental werden.

...und sich fragen, warum Tokyo es nicht geschafft hat, diese Fasziniation des Meeres an irgendeiner Stelle der Stadt hervorzuheben, anstelle alles mit hässlichen Lagerhallen vollzupflastern, was sich irgendwie in Meeresnähe befindet.

Hong Kong 





















Das berühmte Jumbo Floating Restaurant von vorne und hinten. Gut, dass das deutsche Ordnungsamt hier nie vorbeikommen wird.


Eines der typischen Fischerboote, auf denen viele auch wohnen



















...und sein Interior Design













































































U-Bahn-Sterilität









































Beautiful Smog-Watch



















Typisches Straßenbild

Macau:










Laden für Eier und vor allem Eidotter in jeglicher Variation. Ich hab auf's Probieren verzichtet, nachdem ich gesehen habe, wie ein Kleinbus stundenlang seine Abgase den zum Trocknen ausgelegten Dottern geschenkt hat.


Hallo Katzenbaby